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Die Ungehorsame Historischer Roman

Titel: Die Ungehorsame Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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strebte zum Wohnzimmer.
    Hier standen die Missetäter betreten vor den Scherben einer großen - sehr hässlichen - Bodenvase, die ihr Wasser über den Teppich ergossen hatte, auf dem auch die Blumen verstreut lagen.
    »Hat man euch geheißen, durch das Haus zu toben?«
    »Nein, gnädige Frau«, kam es leise.
    »Habt ihr zu wenige Pflichten, die euch beschäftigt halten?«
    »Nein, gnädige Frau.«
    »Räumt das hier auf und trocknet den Teppich. Ihr bekommt, soweit ich weiß, keinen Lohn, von dem ich euch den Verlust der Vase abziehen könnte, sondern nur Kost und Logis. Ihr werdet also heute ohne Abendessen zu Bett gehen, verstanden?«
    »Ja, gnädige Frau!«
    »Und ihr werdet anschließend in euer Zimmer gehen und eine Lektion auswendig lernen, die euch über das sittsame Benehmen belehrt.«

    »Ja, gnädige Frau.«
    Während die Kinder die Scherben aufkehrten und das Wasser wegwischten, suchte Leonie ein passendes Büchlein aus ihrem eigenen Fundus heraus und wählte eine erbauliche Geschichte daraus. Sie war nicht eigentlich ungehalten über die Kinder, vertrat aber die Meinung, ihr Übermut müsse durch Strafe eingedämmt werden. Darum stieg sie anschließend zur Mansarde hoch, wo die beiden Übeltäter nebeneinander auf Ursels Bett saßen. Leonie hatte diesen Raum bisher noch nicht aufgesucht und stellte fest, dass er sicher besser und gemütlicher eingerichtet war als die üblichen Dienstbotenquartiere. Es gab zwei Betten rechts und links vom Dachfenster, dazwischen lag ein Teppich, zwar schon etwas abgetreten, aber noch brauchbar. Eine große Truhe barg die Habseligkeiten der Kinder, und ein geflochtener Paravent versteckte die Waschgelegenheit. Zierrat oder Schmuck jedoch fehlten gänzlich, außer - und hier verengten sich Leonies Augen - einem bunten Madonnenbild an der Wand. Zudem lagen ein Rosenkranz und ein abgenutztes Brevier auf dem Truhendeckel.
    »Das Zeug dulde ich nicht in meinem Haus!«, sagte Leonie knapp und nahm Buch, Bild und Kette an sich. »Hier ist der Text, den ihr auswendig zu lernen habt. Um sechs Uhr höre ich euch ab!«
    »Ja, gnädige Frau. Aber, bitte, können wir das Bild behalten?«, fragte Lennard.
    »Nein. Dies ist ein protestantischer Haushalt, Götzenverehrung dulden weder der Herr noch ich.«
    »Bitte«, sagte auch Ursel und sah so flehentlich dabei aus, dass Leonie sich beinahe hätte erweichen lassen. Aber dann glitten die Rosenkranzperlen durch ihre Finger und fielen zu Boden. Ihre Miene wurde hart.
    »Nein. Und keine Widerworte mehr!«
    Sie schloss leise, aber bestimmt die Tür hinter sich und ging wieder nach unten. Die konfiszierten Gegenstände legte sie auf den Tisch neben sich und versuchte, sich erneut durch die Lektüre von ihren Gedanken an vergangene Tage abzulenken.
    Mit großer Willenskraft gelang es ihr auch eine Weile, dann hörte sie ihren Gatten heimkehren. Doch kam er nicht, wie sonst üblich, zu ihr, um sie zu begrüßen, sondern sie hörte ihn an der Treppe mit
den Kindern sprechen. Kurz darauf trat er zu ihr in den Wintergarten.
    »Wie ich hörte, Frau Mansel, hat es eine häusliche Auseinandersetzung gegeben.«
    »Eine Petitesse, die Sie nicht zu kümmern braucht, Herr Mansel.«
    »Sie kümmert mich durchaus, Madame, denn wie es scheint, haben Sie wegen eines geringfügigen Vergehens eine überaus harte Strafe verhängt.«
    »Die Vase …«
    »Die Vase war ein billiges Stück Steingut, das jederzeit ersetzt werden kann. Den Kindern das Abendessen zu verwehren ist vollkommen unangemessen. Lassen Sie sich eines gesagt sein, Madame: In meinem Haus wird kein Bewohner jemals hungrig zu Bett gehen.«
    »Wie Sie wünschen, Herr Gemahl.«
    In diesem Moment konnte Hendryk Mansel wieder das trotzig vorgeschobene Kinn wie auch den unterdrückt aufsässigen Tonfall erkennen, der ihn bereits bei dem Ehegelöbnis stutzig gemacht hatte. Prompt kam auch die Replik.
    »Sie werden mir stattdessen sagen, welche weiteren Freiheiten ich den von Ihnen protegierten Kindern einräumen soll, und welche Handhabe ich ansonsten besitze, sie zu disziplinieren.«
    Er betrachtete seine Frau einen Augenblick mit einem grimmigen Ausdruck, besann sich dann aber und erklärte: »Haben Sie jemals ein Waisenheim besucht, Madame?«
    »Ich habe ausreichend Wohltätigkeit geübt, Herr Mansel. Mein Vater achtete stets darauf.«
    »Ja, aber haben Sie schon einmal eine solche Anstalt betreten? Mir will scheinen, die praktische Seite der Charité ist Ihnen bisher entgangen. Als man diese beiden

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