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Die Ungehorsame Historischer Roman

Titel: Die Ungehorsame Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Strecke kontrolliert. Sie wissen, wir hatten hin und wieder Probleme. Und dann war da das Erdbeben.«
    »Klar, sicher doch, sicher doch. Aber das war ja nun wirklich kein Grund, sich vor der Soiree bei Jacobs zu drücken. Der Mann ist ein Pfeffersack, wie er im Buche steht. Wir brauchen solche Leute. Kapitalgeber, verstehen Sie?«
    »Natürlich, Herr Oberbergamtsrat. Nur denke ich, es gibt größere Diplomaten als mich, um diesen Herrn von der Zeichnung von Aktien zu überzeugen.«
    »Schon, schon. Aber er hat seine zweite Frau vorgestellt. Charmantes Persönchen, aber bisschen fremd hier. Stammt aus Ägypten. Da hätten Sie heimatliche Gefühle wecken können, Mansel. Sie haben doch einige Zeit dort verbracht!«
    »Bedaure, nein. Meine Erfahrung mit dem Orient sammelte ich in Algerien, Herr Oberbergamtsrat.«
    »Algerien! Ägypten! Muselmanische Länder allesamt und nicht sehr sauber, wie ich hörte. Aber egal, Sie haben sich wieder einmal gedrückt. Und ich verlange eine vernünftige Erklärung dafür!«
    »Nun, ob es vernünftig war oder nicht, wird sich zeigen, Herr Oberbergamtsrat. Ich feierte just an diesem Tag meine Hochzeit. Ich sandte Ihnen kürzlich eine Anzeige!«
    Der beleibte Amtsrat lief dunkelrot an, schlug sich mit der flachen Hand auf die Stirn und brüllte auf: »Mann Gottes, Junge, das habe ich glatt vergessen. Verdammt, wie konnte ich!« Ein donnernder Schlag auf seinen Rücken brachte Mansel fast aus dem Gleichgewicht, und die beiden Angestellten drehten sich feixend zum Fenster. »Meine allerherzlichsten Glückwünsche, mein Freund, meine allerherzlichsten. Auch an die werte Frau Gemahlin. Junge, warum sind Sie dann überhaupt hier? Sie sollten die süßen Tage der ersten Liebe mit Ihrem Weib verbringen und nicht auf staubigen Baustellen herumkriechen.«
    »Nun, Frau Mansel ist eine sehr verständige Dame und versteht, dass mich gewisse Pflichten vom Haus fernhalten!«
    »Ah, ein treffliches Weib. Gutermanns Tochter, nicht wahr? Hab Sie doch selbst mit ihr bekannt gemacht. Kluger Entschluss, sie zu
heiraten, Mansel. Wenn auch ein bisschen überstürzt. Na, was soll’s, sie ist ein freundliches Ding, und eben auch nicht mehr die Allerjüngste. Wann empfangt Ihr Besuche, Mansel? Frau von Alfter und ich werden ihr selbstverständlich unsere Aufwartung machen. Müssen uns doch um das Frauchen kümmern, sie in die richtigen Kreise einführen.«
    »Das ist sehr freundlich von Ihnen, Herr Oberbergamtsrat, doch sehen Sie, wir befinden uns erst seit zwei Tagen im Stand der Ehe, und manche Dinge, wie etwa Besuchstage und dergleichen, müssen wir noch regeln. Aber ich gebe Ihnen selbstverständlich Bescheid, wenn Frau Mansel sich eingerichtet hat.«
    »Natürlich, natürlich, natürlich. Und nun sehen Sie, dass Sie nach Hause kommen, mein Junge. Ich verabschiede mich auch. Nein, nein, begleiten Sie mich nicht hinaus.«
    Als der wortgewaltige Herr aus der Tür gewalzt war, setzte Hendryk Mansel sich erst einmal auf einen der hölzernen Hocker vor den Kartentischen. Seine Angestellten schenkten ihm ein mitleidiges Grinsen, das er schwach erwiderte.
    »Was wollte er eigentlich?«
    »Die Alternativpläne zu dem Mauerdurchstich. Offensichtlich haben die Herren vom Militär wieder neue Bedenken, was die Gleisführung betrifft.«
    »Schon wieder. Aber Sie haben ihm vermutlich die Unterlagen gezeigt, die wir auf Basis der letzten Vermessungen angefertigt haben.«
    Sie fachsimpelten eine Weile, dann verabschiedete Mansel sich und suchte das Caféhaus an der Brückenstraße auf. Hier fand er einen freien Platz und eine Tageszeitung, die er zu seinem Getränk zu lesen gedachte. Ein recht umfangreicher Artikel beschäftigte sich mit dem Eisenbahnunglück in Frankreich am achten Mai. Dort war ein Personenzug von Versailles nach Paris nach einem Achsbruch an der Vorspannmaschine entgleist, und an die fünfzig Menschen verbrannten, da die Lok umkippte, die hölzernen Wagen des Zuges auffuhren und von den glühenden Kohlen aus der Feuerbüchse in Brand gesetzt wurden. Die Abteiltüren waren aus Sicherheitsgründen abgeschlossen, weshalb sich viele Reisende nicht mehr rechtzeitig retten konnten.

    Das wird wieder Wasser auf die Mühlen der Eisenbahngegner bringen, dachte Hendryk Mansel. Nichtsdestotrotz sollte man aus diesen Vorfällen lernen. Zum Beispiel dürften die Türen nicht verschlossen werden. Aber Unglücke und Katastrophen gab es auch aus anderen Gründen. So hatte zum nämlichen Zeitpunkt in Hamburg ein

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