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Die Ungehorsame Historischer Roman

Titel: Die Ungehorsame Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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derartige Vorkommnisse nicht, und wenn sie davon zufällig berührt wurden, dann wandte man sich entrüstet ab. So hatte sie es ihr Leben lang in ihrer Familie erlebt.
    Ob sie es wagen sollte, sich ihrem Gatten anzuvertrauen?
    Sie überlegte es ernsthaft. Doch es war etwas anderes, mit einer Frau darüber zu sprechen als mit einem Mann, auch wenn er einem noch so nahestand. Sie musste dazu erst Mut sammeln, wenigstens einige Tage noch.

Tod des Vaters
    DU THRONEST HIER MIT DES GERICHTES WAAGE
UND NENNTEST DICH VERGELTERIN.
HIER - SPRICHT MAN - WARTEN SCHRECKEN AUF DEN BÖSEN.
    Schiller: Resignation
     
     
    Am 15. Oktober fanden die Festlichkeiten zur Eröffnung der Eisenbahnlinie von Aachen nach Herbesheim in Belgien statt, was deshalb von besonderer Bedeutung war, weil es sich dabei um den ersten grenzüberschreitenden Schienenweg handelte. Hendryk war froh, dass seine Gemahlin ihn zu den Festlichkeiten in Aachen begleiten konnte. Sie hatte sich, nachdem erst einmal ein Durchbruch geschaffen war, erstaunlich schnell erholt. Er beglückwünschte sich, die Idee gehabt zu haben, Camilla um Hilfe zu bitten. Nur wenig hatte er ihr angedeutet, aber sie war eine hochsensible Frau und hatte sofort verstanden, worin ihre Aufgabe bestand. Und sie mit Erfolg gelöst.
    Überhaupt gab es in der letzten Zeit einige Erfolge für ihn. Russegger hatte sehr freundlich und hilfsbereit geantwortet und ihm den Aufenthaltsort Erich Langers genannt, mit dem er in einem regen Briefwechsel stand. Der Mann hielt sich noch bis Ende November in Nürnberg auf, wo er Verwandte besuchte, wollte sich dann aber auf eine neue Reise in Richtung Spanien machen. Hendryk hatte vor, sobald er seine Abrechnung mit Gutermann gemacht hatte, zu ihm aufzubrechen. Und die Regelung dieser Angelegenheit war in greifbare Nähe gerückt. Eine absurde Arabeske hatte ihn nämlich herausfinden lassen, warum Bredow einen derartigen Hass auf den ehemaligen Söldner Mansel entwickelt hatte, weshalb er noch immer versuchte, ihm durch Rufschädigung Steine in den Weg zu legen. Himmel, es wäre lächerlich, grotesk sogar, wenn sich nicht auch ein bitterernstes Schicksal dahinter verbergen würde. Der herzlose Söldner hatte nur das Lächerliche gesehen und vermutlich weidlich ausgenutzt, um seinen Vorgesetzten bloßzustellen. Denn der bedauernswerte Mann war kein Mann. Das ließ in gewisser Weise seine
knabenhaft hohe Stimme vermuten, die ihm das Leben als Corporal sicher schon erschwert hatte. Bewundernswert, dass er dennoch den militärischen Beruf gewählt hatte. Er war nachweislich ein tapferer Soldat, aber in dieser Sache überaus empfindlich. Die Gerüchte folgten ihm indes wie ein Kometenschweif. Es hieß, und hier wurde es eigentlich furchtbar, seine in einem religiösen Wahn befindliche Mutter habe ihn mit Einsatz der männlichen Reife eigenhändig kastriert. Das daraus folgenden Defizit musste in einem algerischen Bordell herausgekommen und an Mansels Ohren gelangt sein. Wie auch immer, er verstand, dass Bredow ihm nicht wohlgesinnt war und es ihm mit gleicher Münze heimzuzahlen wünschte - indem er Ehrenrühriges verbreitete.
    Trotzdem hatte diese Kampagne gegen ihn ein Stück weitergeholfen. Denn inzwischen war ein Mitarbeiter der Eisenbahngesellschaft bei der Überprüfung von Mansels angeblichen Unterschlagungen auf einige Ungereimtheiten bei den Grundstückskäufen gekommen, und da die in Frage kommenden Immobilien zunächst nur in den Vermessungsunterlagen als Geheiminformation vorlagen, fiel der Verdacht auf ihn, der ohnehin krimineller Machenschaften bezichtigt worden war.
    »Mansel, waren Sie es?«, hatte von Alfter ihn angeblafft.
    »Nein, Herr Oberbergamtsrat. Aber ich habe einen begründeten Verdacht, wer es war, und wie es zustande kam. Wenn Sie mir Akteneinsicht gestatten, kann ich möglicherweise den Fall erklären.«
    »Wenn Sie doch nur ein Quäntchen zugänglicher wären, Mansel. Ein Quäntchen. Sie leisten hervorragende Arbeit, aber meine Kollegen sind misstrauisch. Sie neigen dazu, Ihnen die alleinige Schuld zu geben.«
    »Ich kann es nicht ändern. Es tut mir leid, wenn es Ihnen Missbehagen verursacht.«
    »Wühlen Sie die Akten durch, auch wenn ich mir damit den Arsch verbrenne!«, hatte der Oberbergamtsrat gegrollt, und Hendryk hatte gewissenhaft Aufzeichnungen aus Terminen und Koordinaten erstellt. Das Bild, das sich daraus ergab, erhärtete seine Vermutung. Wann immer sie Vermessungen der Strecke vorgenommen hatten, waren kurz darauf

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