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Die Ungehorsame Historischer Roman

Titel: Die Ungehorsame Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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wolle, und sie hatte ihrer Herrschaft gekündigt. Es war seine Idee gewesen, ein Atelier aufzubauen, denn er bewunderte nicht nur ihre Arbeit, sondern er konnte ihr auch über die Beziehungen, die er mit den Herstellern in Ägypten geknüpft hatte, zu günstigen Konditionen höchst ausgefallene Stoffe besorgen. Er war es, der von dem vulkanisierten Kautschuk gehört hatte, den der Amerikaner Goodyear drei Jahre zuvor hergestellt hatte. Diesen Gummi, wie das Material genannt wurde, konnte man sehr vielseitig verwenden. Es fand sich seit Neuestem auch in den Miedern wieder.
    Als Leonie die winzigen Hebelchen anschraubte, die im Nackenbereich der Schlange dafür sorgen sollten, dass sie nicht nur schlängelte, sondern auch das Haupt heben konnte, flogen tatsächlich ihre Gedanken zu dem denkwürdigen Besuch bei der Schneiderin.
    Auslöser war Leos Notar gewesen, der vergangene Woche bei ihr vorstellig geworden war, um ihr über das Testament ihres Vaters zu berichten.
    Nach einigen Momenten der Fassungslosigkeit drang es tatsächlich in ihr Bewusstsein, dass er sie als Alleinerbin genannt hatte.
    »Ich will nichts. Geben Sie es meiner Stiefmutter«, hatte sie spontan aufbegehrt.
    »Frau Mansel, das ist unmöglich. Sie sind die Erbin, Haus, Geld, Aktien, Liegenschaften …«
    »Ich will nichts davon!«
    »Ihr Gatte hat eine ähnliche Reaktion vorhergesehen und mich gebeten, Ihnen einen Vorschlag zu machen. Bitte hören Sie mir zu.«
    Der Hinweis auf Leo hatte sie schließlich ihre besonnene Haltung wiedergewinnen lassen, und während der Notar ihr in seiner etwas umständlichen Redeweise auseinandersetzte, welche Vorschläge er gemacht hatte, wurde ihr Herz plötzlich wieder weit, und die
Liebe, die sie für ihren Gatten fühlte, vertrieb alle Bitterkeit, die das Erbe ausgelöst hatte.
    »Ja, ich werde einen Teil des Geldes dazu verwenden, die elenden Quartiere in den Mietshäusern zu verbessern, das ist eine ausgezeichnete Idee. Und ich werde einen Fonds zu Gunsten des Waisenheims gründen, das ist eine noch bessere. Das Haus wird verkauft, meiner Stiefmutter werde ich ein kleineres kaufen und eine Rente aussetzen.«
    »Und Sie werden auch die von Herrn Mansel genannte Madame Gawrila aufsuchen und in Anspruch nehmen, was immer sie Ihnen zu bieten hat? Er besteht in diesem Fall auf striktem ehelichen Gehorsam!«
    Da es sehr unschicklich gewesen wäre, vor dem würdigen Justiziar zu kichern, nickte Leonie nur stumm und willig, unterzeichnete alle möglichen Dokumente und beauftragte ihn mit den verschiedenen Rechtsgeschäften.
    Am nächsten Tag suchte sie die Couturière auf, um sich mit ihr über ein Gesellschaftskleid zu beraten. Dabei kamen eben die Tatsachen zur Sprache, die zur Verbesserung der Schlange führten. Daneben aber entschieden sie sich für ein zauberhaftes Gewand aus perlfarbenem Atlas mit einem eingewebten Muster, das aus ineinander wirkenden Sternen bestand. Während Gawrila einen Entwurf zeichnete, bewunderte Leonie das duftige Batistkleid auf einer Schneiderpuppe. Hauchzart und durchscheinend umwallte der Stoff den Unterrock aus Taft. Als Leonie dieses sehr feine Material berührte, beschlich sie eine überaus frivole Idee.
    »Madame Gawrila, ob es wohl möglich wäre, aus Stoff dieser Art ein - mh - Nachthemd zu nähen?«
    »Haben Sie einen heimlichen Geliebten?«
    Die Schneiderin musterte sie mit grimmiger Miene.
    »Oh ja. Nur - heimlich ist er eigentlich nicht.«
    »Besitzen Sie etwa die Unfeinheit, sich in Ihren Gatten verliebt zu haben?«
    »Ich fürchte, ich muss es gestehen.«
    »Und er?«
    »Findet meine Nachthemden scheußlich.«
    »Mh!«

    Die Couturière nahm eine Geschäftskarte von ihrem unordentlichen Schreibtisch und schrieb in ihrer schwungvollen Handschrift etwas darauf. Dann reichte sie sie Leonie und meinte: »Dann besuchen Sie Mariette im Seidmachergässchen. Sie ist Gold wert und weiß es. Aber scheußlich wird Ihr Gatte ihre Kreationen nicht nennen.«
    Auf dem Kärtchen stand: »Chérie, Madame Mansel ist eine Kundin mit Verstand und Geschmack.«
    Was immer Gawrila der Weißnäherin damit signalisiert hatte, führte dazu, dass Leonie überaus freundlich begrüßt und bevorzugt behandelt wurde. Und wenn Leo zurückkäme, würde er vermutlich an dem duftigen, sündigen Nichts, das fortan in Boudoir und Bett zu tragen gedachte, nicht mehr viel auszusetzen haben.
    Mit verträumtem Blick legte sie das Handwerkszeug nieder, mit dem sie gearbeitet hatte. Wenn er zurückkäme, würde sie

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