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Die Ungehorsame Historischer Roman

Titel: Die Ungehorsame Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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noch immer mit fassungslosem Staunen. Nur eine Nacht voll Leidenschaft war ihr vergönnt gewesen, seither war er fort, nun schon zehn Tage. Und die Ungewissheit nagte unbarmherzig an ihr. Er war auch zuvor oft tagelang unterwegs gewesen, und sie hatte sich wenig Gedanken gemacht, was ihm hätte geschehen können. Er war ein erfahrener Reisender, die Ziele bekannt, die Aufgaben überschaubar. Nun aber war ihr nicht nur bekannt, dass er eine Maske trug, sondern auch, warum. War sie zuvor dieser Frage willentlich aus dem Weg gegangen - jetzt war sie mit der Antwort konfrontiert. Er wurde bedroht. Tatsächlich hatte man bereits einen Anschlag auf ihn ausgeübt.
    Drei Tage nach Leos Abreise hatte sich der Corporal Bredow bei ihr melden lassen, und sie hatte erwogen, ihn abzuweisen. Doch der Brief, den Albert ihr übergab, änderte ihren Sinn. Sehr kühl hatte sie den Unteroffizier im Empfangssalon begrüßt und ihn mit einer knappen Handbewegung zum Sitzen aufgefordert. Der Mann war verlegen und sichtlich nicht gewohnt, sich in gehobenen Kreisen zu bewegen. Aber sie begann, seine Aufrichtigkeit zu achten, als er ihr mit knappen Worten berichtete, was geschehen war, und welche Maßnahmen er und Leo ergriffen hatten.
    »Gut, ich bin einverstanden, dass ein Leibwächter diskret über die Kinder wacht, vor allem auf ihren Wegen von und zur Schule. Stellen Sie mir den Mann vor, der die Aufgabe übernimmt.«
    »Und für Sie selbst, gnädige Frau?«
    »Ich werde kaum ausgehen, und wenn, wird mich mein Onkel oder der Freund meines Mannes, Leutnant von Benningsen, begleiten.«
    »Ausgezeichnet. Ich muss Ihnen noch einmal versichern, wie überaus peinlich es mir ist, Ihnen solche Unannehmlichkeiten verursacht zu haben. Ich hätte auf mein Herz hören sollen, schon damals im Hospital, gnädige Frau. Der Mann, den ich als Mansel kannte, wäre
für eine Dame wie Sie vollkommen inakzeptabel gewesen. Ich bedauere vor allem, Ihnen möglicherweise ein gänzlich falsches Bild von Ihrem Gatten vermittelt zu haben.«
    »Der Mann, den ich als Hendryk Mansel kennengelernt habe, war für mich schon immer sehr akzeptabel, Herr Bredow, deshalb habe ich Ihre Unterstellungen von Beginn an nicht ernst genommen.«
    »Ihr Vater …«
    »Gutermann war für eine Dame wie mich, Herr Bredow, völlig unakzeptabel als Vater. Ich danke Ihnen für Ihren Besuch. Melden Sie mir auf jeden Fall alles, was in irgendeiner Form zu Besorgnis Anlass gibt. Es ist besser zu wissen, wo der Feind steht, als mit eigenen Sorgen und Ängsten Vermutungen anzustellen.«
    Er hatte es versprochen, doch bisher gab es keine weitere Nachricht von ihm. Ein unauffälliger Mann mittleren Alters aber hielt sich tagsüber immer in der Nähe der Zwillinge auf. Offensichtlich machte er seine Sache gut, denn die beiden hatten ihn bisher noch nicht erwähnt.
    Jetzt eben folgte er, wie sie aus dem Fenster beobachten konnte, in ausreichendem Abstand Sven und den Kindern, die sich, warm eingemummt - Ursel mal wieder in Lennards Hosen -, zum Rhein aufmachten.
    Sie selbst, noch immer ruhelos, überlegte, ob die Arbeit an der Schlange, die sie Renenutet nannten, sie vielleicht ablenken könnte, und begab sich in das Mansardenzimmer. Inzwischen hatten sie den höchst naturgetreu geschnitzten und bemalten Kopf angebracht und in den Bereich hinter den Kiefern die kleine, aber starke Feder eingebaut, die, wenn sie gespannt war, einen Hebelmechanismus in Bewegung setzte, der die langen Bänder entlang der Wirbel hin und her bewegte. Der Vorschlag, elastische Kautschukstreifen zu verwenden, hatte sich als praktikabel erwiesen Gawrila war überaus hilfsbereit gewesen und hatte verschiedene Materialien zur Verfügung gestellt, nachdem sie ihre Verblüffung über das Vorhaben überwunden hatte. Besser gesagt, ihr Gatte hatte sich diesbezüglich als Quelle des Wissens gezeigt. Dass Gawrila verheiratet sein sollte, hatte Leonie zunächst überrascht. Sie hatte - dummes Vorurteil, schimpfte sie sich später selbst- geglaubt, nur ledige oder verwitwete
Frauen würden einen Beruf ergreifen. Der Not gehorchend, da sie keinen männlichen Versorger hatten. Dass eine Verheiratete selbstständig arbeitete und dabei offensichtlich eine gute Ehe führte, gab ihr Stoff zum Nachdenken. Gawrilas Mann war Ingenieur, sie hatte ihn in Ägypten kennengelernt, wo er für Mehemet Ali Baumwollspinnereien und Webereien technisch betreut hatte. Als sein Vertrag erfüllt war, hatte er sie gefragt, ob sie in seine Heimat mitkommen

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