Die Ungehorsame Historischer Roman
Es war ein neues, aufregendes Spiel, in dem er siegen würden. Denn noch hatte Leo Flemming nicht entdeckt, dass er ihn entlarvt hatte. Das war gut so. Das war sehr gut so.
Ein Lächeln erhellte sein edel geformtes Gesicht. Lüning hatte sich genauso verhalten, wie er es erwartet hatte. Tödlich getroffen hatte er den Mann nicht, sich selbst aber auch nicht bloßgestellt. Natürlich hatte er ihn glauben gemacht, er habe schmählich versagt. Seine Bestrafung war der besondere Genuss bei diesem Treffen gewesen. Erst hatte der ihm befohlen, sich bis auf die Maske zu entkleiden, dann hatten sie ihn gepeitscht, und schließlich hatte er ihn vor die Wahl gestellt, mit der Katze oder dem Nilpferd Thetis die Weihehandlung zu vollziehen. Bruder Thetis liebte die Männer mehr als die Frauen, und Sonia liebte es, die Krallenhandschuhe bei derartigen Gelegenheiten zu tragen.
Er hatte die Krallen gewählt.
Es war ein erhebender Anblick gewesen, wie er blutend und vor Schmerz und Wollust wimmernd vor dem Altar gelegen hatte. Fra Chnum wusste, er hatte dabei wilde Ekstase empfunden. Lüning
war so ein Mann, der Lust an Bestrafung fand. Das war sein Mittel der Macht über ihn.
Nun galt es, die nächste Stufe einzuleiten. Leo Flemming war derzeit verschwunden, wie es hieß, nach Herbesheim aufgebrochen, und wurde erst Anfang Dezember zurückerwartet. Vorher hätte es wenig Sinn, etwas zu unternehmen, es blieb Zeit, sorgfältig zu planen. Da waren beispielsweise die Zwillinge. Fra Apis, der Pfarrer Wiegand, hatte ihm da unversehens weitergeholfen. Ziemlich sicher waren es die Kinder von Urs, die nach dem Tod dieses Theatermädchens ins Waisenheim gekommen waren. Wiegand hatte den Kollegen in Bonn befragt, der die Papiere gesehen hatte. Und dann gab es noch Leonie, dieses hübsche Lärvchen, das sich mit Camilla angefreundet hatte. Ein naives Ding, leicht zu bezaubern - nun ja, Leo hatte sie nicht aus Neigung geheiratet. Es hieß, Hendryk Mansel habe ein wenig zu auffällig herumgehurt und war von seinen Arbeitgebern gezwungen worden, ein häusliches Leben zu führen. Sonia wusste von verschiedenen Gerüchten in der Richtung. Er drehte das Ammonshorn hin und her, sodass die Spiralstruktur opaleszierend schimmerte. Mit Leonie könnte man zwar etwas Aufsehenerregendes anstellen, aber ob das Leo auf den Plan bringen würde? Die Kinder waren ihm mit Sicherheit wichtiger, Nachkömmlinge seines Bruders.
Zufrieden steckte er das Amulett fort.
Ja, die Zwillinge. Der Junge hatte sich mit Gerlachs Junior angefreundet, das war sehr praktisch. Des Mädchens könnte sich Sonia annehmen.
Um Leo würde er sich kümmern!
Und auch Camilla sollte man ein wenig unter Druck setzen. Es würde ein interessantes Experiment werden, zu sehen, was sie dabei preiszugeben bereit war.
Ja, er hielt alle Optionen in der Hand.
Einen Blick noch gönnte er der goldenen Schlange.
Nein, er hatte keine Angst mehr.
Er hatte schon lange jede Angst überwunden.
Und dabei gelernt, auf welche Art man Macht erlangte.
Zufrieden mit sich legte Fra Chnum den Ornat ab und zog die Uniform wieder an.
Der Rittmeister Magnus von Crausen verließ mit energischen Schritten die Budengasse, um sich lange nach Mitternacht nach Deutz übersetzen zu lassen.
Camillas Geheimnis
ÜBRIGENS BLEIBT ES DOCH IMMER GEWALTIG HART,
DASS WIR MÄNNER UNS SO LEICHT ALLE ARTEN VON
AUSSCHWEIFUNGEN ERLAUBEN, DEN WEIBERN ABER,
DIE VON JUGEND AUF DURCH UNS ZUR SÜNDE GEREIZT WERDEN,
KEINEN FEHLTRITT VERZEIHN WOLLEN.
Freiherr von Knigge: Über den Umgang mit Frauenzimmern
Leo hatte die Strecke nach Nürnberg einigermaßen zügig zurückgelegt, dann aber wurde die Angelegenheit zäh. Nicht dass er bei Erich Langer vor verschlossenen Türen gestanden hätte, nur war dieser Mensch so sehr von seiner eigenen Bestimmung durchdrungen, dass er den nebensächlichen Dingen, die sich bei der Expedition in den Sudan ereignet hatten, jetzt nur noch wenig Aufmerksamkeit widmen mochte. Als selbsternannter Altertumsforscher liebte er es, über sein Fachgebiet zu dozieren, und Leo hatte alle Mühe, ihn immer wieder auf seine Fragen zurückzubringen, ohne unhöflich zu werden. Denn der ehemalige Unteroffizier hatte Aufzeichnungen, die bestimmte Vorgänge sauber dokumentierten. Akribisch wie er war, hatte er täglich in seinem Tagebuch vermerkt, was ihm auffällig erschien. Und so war auch der Tag beschrieben, an dem Urs verschwunden war, es stand darin, wer ihn gesehen hatte und wer ihn
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