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Die Ungehorsame Historischer Roman

Titel: Die Ungehorsame Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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erzählt hast, Leo. Ich bin kaum in der Lage, es alles zu erfassen. Wir haben bestimmt noch unzählige Fragen, mein Junge. Aber nicht jetzt. Du bist ein mutiger Mann geworden. Andere wären an dem zerbrochen, was du erlebt hast.«
    »Ich war manchmal nahe daran, Vater. Erst seit Leonie an meiner Seite ist, hat wirkliche Heilung eingesetzt.«
    »Haben Sie Dank dafür, Kind!«
    Sein Vater war aufgestanden und hatte Leonies Hand geküsst. Dann hatten seine Eltern sie verlassen, und er lehnte sich, mit seinem Weinglas in der Hand, auf dem Kanapee zurück und schaute ins Feuer.
    »Der Rittmeister. Leo, ich bin mehr als entsetzt.«
    »Das glaube ich dir. Hätte ich gewusst, dass du ihm über den Weg gelaufen bist, hätte ich Maßnahmen ergriffen. Aber du hast ihn nie erwähnt. Eigentlich seltsam, wenn ich es recht bedenke.«

    Leonie hatte den Kopf gesenkt, aber ihre Ohren verrieten sie. Sie waren rot.
    »Ah, ein heftiger Flirt? Bedauerlicherweise ist er ein überaus gut aussehender und charmanter Mann. Es war ein Tanz auf dünnem Eis, Leonie.«
    »Camilla hat mich ein paarmal gewarnt, Leo«, sie sah zu ihm auf und schaute ihm in die Augen. »Es ist nie, nie etwas Unschickliches zwischen ihm und mir geschehen. Nur - ich war damals so einsam. Ich wollte Geselligkeit und Unterhaltung, und du konntest mich nicht begleiten.«
    »Liebste, ich habe großes Verständnis dafür. Selbst wenn du dir einen Liebhaber genommen hättest, hätte ich darüber hinweggesehen. Obwohl - auf dem Maskenball hast du mit Ernst geflirtet. Ich war ziemlich eifersüchtig.«
    »Wirklich?«
    Er gab ihr einen Kuss auf die Stirn und erhob sich.
    »Begleitest du mich nach oben?«
    »Nun ja, es ist wohl meine Pflicht.«
    Er lachte zum ersten Mal an diesem Abend.

Das Ende des Jahres 1843
    SEID UMSCHLUNGEN, MILLIONEN!
DIESEN KUSS DER GANZEN WELT!
    Schiller: An die Freude
     
     
     
    Das war mal ein Weihnachtsfest! Lennard und Ursel waren noch immer überwältigt. Im vergangenen Jahr hatten sie zwar auch schon Geschenke erhalten und an einem festlichen Mahl teilnehmen dürfen, aber diesmal - also das schlug alles, was sie je erlebt hatten!
    Erst einmal dieser riesige Weihnachtsbaum mit Kerzen und bunten Glaskugeln, Flittergirlanden und goldenen Sternen, dann das Essen, die Naschereien und die Geschenke. Lieber Gott im Himmel, was hatten sie alles bekommen. Kleider, Spielsachen, Bücher und wirklich und wahrhaftig ein Pony. Man stelle sich das nur mal vor! Ein echtes, richtiges Pony, auf dem sie reiten durften.
    Die Großeltern, denen sie sich anfangs so reserviert und höflich gegenüber benommen hatten, wie Tante Leonie es ihnen geraten hatte, hatten sich inzwischen als richtig patente Leute erwiesen. Der Großvater war mit ihnen in die Kohlegrube gefahren und war schwarz wie ein Mohr mit ihnen durch die Schächte gekraxelt, er hatte sie auf Pferde gesetzt und ihnen die Grundzüge des Reitens beigebracht, mit der Großmutter hatten sie den Baum geschmückt, in der Küche Plätzchen gebacken, und während Ursel mit ihr über Stoffe und Schnitte diskutierte, durfte Lennard die umfangreiche Fossiliensammlung des Großvaters begutachten. Ja, es war einzigartig in Barsinghausen.
    Vor allem, als dann auch noch am Tag vor Heiligabend die Kutsche vor der Tür hielt und diese absolut unbeschreibliche Frau ausstieg. Erst hatten sie gedacht, das müsse jemand aus dem Zirkus oder dem Theater sein. Diese Kleider, die sie trug, die erinnerten sie an den orientalischen Bazar im Sommer. Aber dann zeigte es sich, dass die Dame eine englische Lady war, die Onkel Leo in Ägypten getroffen hatte. Sie war auf dem Weg in ihre Heimat und hatte in Köln Halt gemacht,
um ihn zu besuchen. Albert hatte ihr aber ausgerichtet, sie seien auf Familienbesuch, und darum war sie nun hier.
    Erstaunlicherweise wurde sie von den Großeltern mit offenen Armen und ausgesprochener Herzlichkeit empfangen, obwohl sie doch einige gesellschaftlich nicht ganz tolerabel Marotten hatte. Zum Beispiel rauchte sie. Eine Dame! Und sie trug Hosen. Und die Sprache, die sie führte! Sie hatten inzwischen genug Englisch gelernt, um sie recht gut zu verstehen, aber manche Wörter - je nun, Onkel Leo war eben auch ein patenter Mann, er grinste und übersetzte sie heimlich, und so erweiterte sich ihr Wortschatz beständig um ausgesucht blumige Flüche in der englischen Sprache.
    Lady Frances mochte ein Original sein, aber sie war auch ein echter Kumpel. So etwas von einer Dame zu behaupten war vermutlich

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