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Die Ungehorsame Historischer Roman

Titel: Die Ungehorsame Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Aber es schien, wenn man wirklich zur guten Gesellschaft gehörte und sich ansonsten an die Regeln des guten Tons hielt, dann durfte man gelegentlich Ausnahmen machen. Sie waren sich der Ehre bewusst und benahmen sich so korrekt, wie sie es in den vergangenen zwei Jahren gelernt hatten.
    Um Mitternacht dann kam Onkel Leo zu ihnen und reichte ihnen je ein Glas Champagner. Den brauchte Lennard schließlich auch, denn mit irgendwas musste ein Mann ja die vielen Küsse runterspülen, die da verteilt wurden.
    Brrr!

Neues Jahr 1844
    SEI VORSICHTIG IM TADEL UND WIDERSPRUCHE!
ES GIBT WENIGE DINGE IN DER WELT,
DIE NICHT ZWEI SEITEN HABEN.
    Freiherr von Knigge: Über den Umgang mit den Menschen
     
     
    Leonie erwachte am Neujahrsmorgen und hatte ein wenig Mühe, ihren Kopf wiederzufinden. Als sie jedoch feststellte, dass sie einfach nur dem Schmerz folgen musste, kam ihr die Erkenntnis, sie müsse wohl einen ausgewachsenen Kater haben.
    Nur zu verständlich.
    Was für ein Fest!
    Sie stöhnte leise und schloss die Augen wieder.
    »Brummschädel, Liebste?«
    »Brrmmmm!«, brummte sie und hörte ihren Gatten lachen.
    »Da gibt es Abhilfe. Erst einmal bleibst du ganz ruhig liegen, und dann lasse ich dir unser Neujahrs-Spezialfrühstück bringen. Das hat Tradition in diesem Haus und weckt auch Tote wieder auf.«
    »Du bist widerlich gut gelaunt.«
    »Bist du auch gleich wieder!«
    Sie spürte seine kühle Hand auf ihrer dröhnenden Stirn, dann einen raschen Kuss auf ihrer Nase und war alleine.
    Als sie das nächste Mal die Augen aufschlug, stand Leo, makellos gekleidet und rasiert an ihrem Bett neben einem Servierwagen. Kaffeeduft verbreitete sich.
    »Das habe ich nicht verdient!«
    »Doch, die schönste Ballkönigin aller Zeiten hat sich den besten Kaffee aller Zeiten verdient. Danach bekommst du ein laues Bad, dann reiten wir aus.«
    »Ausreiten?«
    »Kalte Luft und Bewegung wirken bei einem Kater Wunder, glaub mir.«
    Leo hatte Recht. Um die Mittagszeit fühlte sie sich wieder ganz wohl. Ursel kam und half ihr, das Reitkleid abzulegen, das ihre
Schwiegermutter ihr geschenkt hatte. Mit Lady Frances konnte sie es im Reiten noch nicht aufnehmen, aber alle bescheinigten ihr, sie mache eine gute Figur auf dem Pferderücken. Dieses neue Vergnügen bereitete ihr großen Spaß.
    Überhaupt gestaltete sich der Besuch inzwischen immer harmonischer. Nach Leos Bericht war die Stimmung einige Tage sehr gedämpft, wurde dann aber wieder lockerer, vor allem, nachdem Lady Frances aufgetaucht war. Sie hatte eine spontane Zuneigung zu der schrulligen Dame empfunden, die herzlich erwidert wurde. Sie war es auch, die ihr über die letzte Klippe geholfen hatte. Am ersten Feiertag nämlich war das Gespräch auf ihre Familie gekommen, und sie hatte unbedachterweise gesagt, ihr Vater sei im Sommer gestorben. Olivia hatte stocksteif dagesessen und sie kalt gemustert.
    »Ihr Vater starb vor wenigen Monaten, und Sie tragen bunte Kleider, Leonora? Kennen Sie denn keine Pietät?«
    »Nein, Frau Flemming, in diesem Fall nicht. Es ist meine Angelegenheit, und ich werde Sie mit meinem Anblick nicht weiter beleidigen.« Hoheitsvoll war sie aus dem Zimmer gerauscht.
    Diese Reaktion ihrer Schwiegermutter hatte das Fass zum Überlaufen gebracht. Die ganze Zeit schon hatte sie sie mit kühler Höflichkeit behandelt, wie eine gerade mal geduldete Fremde. Die Kinder hatte sie sofort lieb gewonnen, sie aber betrachtete sie offensichtlich als die nicht ganz standesgemäße Mätresse ihres Sohnes. Leo hatte es mit einer verständlichen Eifersucht zu erklären versucht, die sich im Laufe der Zeit legen würde. Aber es war schwer zu ertragen, ein unerwünschter Gast zu sein. Es erinnerte sie manchmal gefährlich an alte Zeiten in ihrer Familie.
    Ausgesucht misslaunig hatte sie sich in ihr Schlafzimmer begeben und versucht, an Werthers Leiden Erquickung zu finden, was naturgemäß nicht gelingen wollte. Eine halbe Stunde später hatte Lady Frances an die Tür geklopft, war ohne Umstände eingedrungen und hatte eine Flasche Whisky und zwei Gläser auf den Nachtisch gestellt.
    »The lion roared. Cheers, my brave!«, sagte sie und reichte Leonie das gefüllte Glas.
    »Welcher Löwe brüllte?«
    »Ihr Leo. Er hat soeben seine Mutter gebissen. Es war - spektakulär,
würde ich sagen. Ich bin Olivia sehr zugetan, sie ist eine vortreffliche Frau und eine ausgezeichnete Gutsherrin. Aber in Bezug auf Sie hat sie einen eingeengten Blick. Ich muss sagen, es hat mich die ganze Zeit

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