Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Ungehorsame Historischer Roman

Titel: Die Ungehorsame Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
Vom Netzwerk:
fand ihn - sterbend.«
    Er spürte, wie sich Leonies Finger um die seinen schlossen, und er erwiderte dankbar ihren Druck. Seine Eltern waren blass geworden.
    »Was … was ist ihm geschehen, Leo? Bitte!«
    »Jemand hat versucht, ihm die Koordinaten für das Königsgrab zu entreißen.«
    »Wer? Wie?«
    »Bitte, Vater.«
    »Leo, er war unser Sohn!«
    »Wenn Sie darauf bestehen«, sagte er leise. »Sein Mörder hat ihn gefoltert. Es war nur noch ein Hauch Leben in ihm. Er starb in meinen Armen. Sein letztes Wort war ›Liebe‹.«
    Er hatte die Augen geschlossen, um die entsetzlichen Bilder auf sich einströmen zu lassen. Er würde sie nie vergessen. Leonies Hände umfingen die seinen, pressten sie fest, bis es schmerzte. Völliges Schweigen lag über dem Raum.
    »Ermordet!«
    Die Stimme seiner Mutter war ein unnatürliches Krächzen. »Gefoltert und ermordet.« Und dann schrie sie: »Wer?«
    Leonie stöhnte nur: »Oh Gott, nein!« Dann ganz leise: »Ich ahne es. Oh Gott! Das Amulett!«
    Das Wort riss ihn aus seiner Pein, und er drehte sich zu ihr um.
    »Was meinst du damit?«
    »Ich weiß, wer das Amulett besitzt. Er hat es mir gezeigt. Erzählte mir, er habe es in Ägypten gefunden, es habe ihm Glück gebracht.«
    »Du bist ihm begegnet?«
    »Camilla!«

    »Natürlich, das hätte ich mir denken müssen.«
    »Hört auf zu flüstern«, fauchte seine Mutter. »Wer?«
    »Magnus von Crausen.«
    In ihren blauen Augen stand kalte Mordlust geschrieben.
    »Du hast ihn laufen lassen? Du hast ihn laufen lassen, obwohl er deinen Bruder umgebracht hat?«
    »So könnte man es sehen. Ich floh zusammen mit Jussuf noch in derselben Nacht.«
    »Du Feigling!«
    »Olivia, mäßige dich. Leo, ich finde keine Worte. Ich weiß nicht
    … Der Mann kam etliche Male her. Ein kaltblütiger Mörder? Unser Nachbar?«
    »Er hasste uns schon von Kindheit an, Vater. Erinnerst du dich noch an unseren Ausflug auf den Deister? Er war es, der Ernst die brennende Fackel ins Gesicht schlug. Hätte Urs ihm nicht die Schlange entgegengeworfen, hätte es schon damals Tote gegeben.«
    »Ist er wahnsinnig?«
    »Ja. Das ist er. Er hat in Ägypten einen Geheimorden gegründet, dessen Mitglieder sich als tierköpfige Götter kostümierten und wilde Orgien feierten. Schwache, beeinflussbare Menschen, die Lust an Grausamkeiten fanden. Sie haben eine schwangere Sklavin umgebracht, um das Blut eines ungeborenen Kindes zu trinken.«
    Laurens Flemming stand auf und goss sich ein Glas Cognac ein.
    »Den Damen auch, Vater. Mutter ist bleich wie der Tod, und Leonie - Liebste, du zitterst wie Espenlaub.«
    »Die Sklavin …?«
    »Ja, daher weiß ich um so etwas. Trink langsam. Und bleib bei mir, Leonie, ich brauche dich jetzt.«
    Er legte den Arm um ihre Schulter und zog sie an sich.
    »Es ist noch nicht zu Ende, nicht wahr?«
    »Nein, es ist noch nicht zu Ende.«
    »Was denn noch, um Gottes willen?«, fragte sein Vater.
    »Magnus hatte sein Ziel bei Urs nicht erreicht. Er wollte mich. Darum floh ich. Jussuf war eine gewaltige Hilfe, er besorgte mir einheimische Kleider, konnte ein Boot ausfindig machen, wusste den Bakschisch an den richtigen Stellen zu geben, und so kamen wir zügig voran. Aber Magnus hatte auch Möglichkeiten - ein Offizier in Mehemet
Alis Diensten, der einen flüchtigen Verbrecher verfolgte, erhielt überall Unterstützung. Wir waren ihm nur knapp voraus, versuchten eine List. Hinter dem ersten Katarakt, bei Kom Ombo, versuchten wir, zur Küste zu kommen, um über das Rote Meer nach Norden weiterzufliehen. Im Wadi el Kharif holte er uns ein. Jussuf bekam mit, wie er mich überwältigte, und floh. So hatte ich es ihm befohlen. Mich schleppte Magnus in eine aufgelassene Mine, gefesselt, verletzt, und ließ mich in absoluter Dunkelheit tagelang hungern und dursten. Dann kam er wieder. Er drohte mir mit Folter. Und damit, meine Familie umzubringen. Ich war feige, ja. Ich nannte ihm die Koordinaten des Grabes. Er ging und verschüttete den Eingang der Höhle.«
    »Verzeih, Leo. Du warst nicht feige!«, sagte seine Mutter tonlos.
    »Ich weiß es nicht. Ich überlebte. Weil Sie, Vater, mir beigebracht haben, auf die Sprache der Erde zu hören. Ich fand, wie ein Wurm, den mühseligen Weg durch schmale Gänge ans Tageslicht.«
    »Aber du warst verletzt.«
    »Man tut, was man kann, wenn man überleben will.«
    Leonie an seiner Seite stöhnte leise auf, und er wusste, sie dachte an seine Narben. Er streichelte sie leicht.
    »Schon gut. Ich kam aus einer

Weitere Kostenlose Bücher