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Die Ungehorsame Historischer Roman

Titel: Die Ungehorsame Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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führten Kindermädchen ihre Schützlinge am Gängelband und der eine oder andere ältere Herr seinen meist ebenso betagten Hund an der Leine.
    »Es ist schön hier, Herr Mansel.«
    »Ein wohlgepflegter Garten, ja.«
    »Als Kind hat mich mein Onkel Sven oft mit in den Garten des Poppelsdorfer Schlosses mitgenommen. Der ist seit 1818, als er an die Universität angegliedert wurde, auch als botanischer Garten angelegt. Sven hat mir immer die seltsamsten Pflanzen gezeigt und erklärt, aber irgendwie habe ich kein gutes Gedächtnis dafür.«
    »Ihr Onkel Sven ist der ältere Herr mit dem kurzen weißen Bart, nicht wahr?«
    »Ja, und Edith, das ist die Frau mit der schiefen Schulter, ist seine Tochter. Ich habe früher sehr viel Zeit bei ihnen verbracht. Edith hat nie geheiratet, wissen Sie. Aber sie ist sehr rege in der Charité. Sie arbeitet drei Tage in der Woche in einem Entbindungsheim für ledige Mütter. Sie hat unzählige Freunde, und ansonsten führt sie Sven den Haushalt.«
    Mansel wunderte sich etwas darüber, dass seine sonst so förmliche Gemahlin ihre Verwandten so leger beim Vornamen nannte, aber vermutlich war das Verhältnis zwischen ihnen sehr eng. Er musste sich eingestehen, er hatte sich bisher wirklich nur sehr, sehr rudimentär mit der Herkunft seiner Frau befasst.
    »Welcher Profession geht oder ging Ihr Onkel nach?«
    »Oh, er war Uhrmacher. Ein ganz hervorragender Uhrmacher sogar. Er ist auch viel gereist und hat sein Handwerk bei anderen großen Meistern gelernt. Aber seit drei Jahren kann er es leider nicht mehr ausüben. Das finde ich sehr bedauerlich, er hingegen hat sich damit viel besser abgefunden.«
    »Was hindert ihn daran, seine Tätigkeit weiter auszuüben?«
    »Eine Augenverletzung, Herr Mansel. Sven ist auf dem rechten Auge blind. Es ist wohl sehr schwierig, nur mit einem Auge feinste
Arbeiten zu verrichten. Es hat etwas mit der Perspektive des Sehens zu tun, sagt er.«
    »Ah, ja, ich verstehe«, erwiderte er und hoffte, sie würde das Thema nicht vertiefen. Darum fragte er weiter: »Wie habe ich die Verwandtschaftsverhältnisse eigentlich zu sehen? Ist er ein Bruder Ihres Vaters?«
    »Ach nein, nein, Sven Becker ist eigentlich ein angeheirateter Onkel. Die ältere Schwester meiner Mutter war seine Frau. Aber sie ist schon 1817 gestorben, Edith ist ihr einziges Kind. Vielleicht hat Sven mich deshalb gerne bei sich aufgenommen!«
    Es hört sich etwas versonnen an, stellte Mansel fest und vermutete, es müsse etwas mit ihrer eigenen verstorbenen Mutter zu tun haben. Taktvollerweise vermied er also das Thema.
    Sie hatten jetzt das äußere Ende des Gartens erreicht und kehrten um. Der Dom überragte mit seinem immer noch mit dem Kran aus dem Mittelalter gekrönten Turm und dem hohen Strebwerk des Chors die Bäume.
    »Sieht aus wie ein gestrandeter Elefant!«, hörte er seine Frau plötzlich kichern und konnte ein Grinsen nicht unterdrücken.
    »Nicht ganz falsch. Aber nun hat Zwirner ja als Dombaumeister das Kommando übernommen, und bald wird der Elefant eine ehrbare Kathedrale werden.«
    »Ist es richtig, dass man eine feierliche Grundsteinlegung vornehmen will?«
    »Ja, man spricht davon, König Friedrich Wilhelm wolle selbst dem Ereignis beiwohnen. Möchten Sie Ihre Familie dazu nach Köln einladen?«
    »Das wäre nett. Sven und Edith aber nur, Herr Mansel, wenn es Ihnen recht ist.«
    »Nicht Ihren Vater und Ihre Mutter und die kleine Schwester?« Deren Namen hatte er schon wieder vergessen, erinnerte sich aber an ein elfenhaftes Kind mit einer hübschen Singstimme. Etwas verblüfft wurde er, als sein Weib, das eben noch heiterer Stimmung war, plötzlich zurückhaltend wirkte.
    »Mein Vater hat mir den Übertritt noch nicht verziehen, und mit meiner Stiefmutter verstehe ich mich nicht besonders gut. Auch das,
Herr Mansel, ist ein Grund, warum ich mich lieber bei Sven und Edith aufgehalten habe.«
    »Ja, ich verstehe. Es ist schwer, die Mutter zu verlieren!«, sagte er und legte seine Hand auf die ihre, die in seiner Armbeuge ruhte.
    »Sie brauchen mich nicht zu trösten, Herr Mansel. Meine Mutter war schon lange krank. Ich pflegte sie die letzten zwei Jahre, bis sie anno siebenunddreißig starb. Ich habe mein Trauerjahr eingehalten und jede Gesellschaft gemieden. Diese Zeit ist nun vorbei.«
    Seine Verblüffung wandelte sich in Empörung. Sie war ein herzloses Geschöpf. Wie konnte sie nur so kalt, ja beinahe abfällig von ihrer leiblichen Mutter sprechen.
    »Sie scheinen Ihre Mutter

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