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Die Ungehorsame Historischer Roman

Titel: Die Ungehorsame Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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dann!«
    Gemeinsam widmeten sie sich dem zarten Flor der Strümpfe und befestigten sie mit weißen Rüschenbändern oberhalb der Knie. Schuhe aus feinstem, cremeweißen Ziegenleder standen auch schon zum Hineinschlüpfen bereit, und Ursel wand die Satinbänder gekonnt um Leonies zierliche Fesseln.
    »Drei Unterröcke?«
    »Drei werden genügen. Zuerst den mit den Biesen abgesteppten, er hält am besten die Weite. Dann die beiden mit den Volants!«
    Stoff raschelte, als sie sich durch die Menge der blütenweißen, gestärkten Falten kämpften. Bis zu den Zehen fielen die Röcke nun wieder, die leicht frivole Mode der Dreißigerjahre, als man tatsächlich schon mal die Wade gezeigt hatte, war gänzlich unmöglich geworden. Allerdings verzichtete man auch inzwischen auf die wuchtigen
Keulenärmel, die Leonie immer schrecklich gestört hatten, musste man doch schwere Rosshaarpolster an den Armen tragen, damit sie ihre Weite behielten. Das Ausgehkleid, das sie gewählt hat- te, besaß eng anliegende Ärmel und war auch nicht dekolletiert. Es war in Altrosa gehalten, aufgedruckt waren in Grau und Weiß kleine Blütenranken. Rosa Satinschleifen am Hals und in der Taille schmückten es, und weiße Spitzenrüschen fielen über die Handgelenke.
    »Die hellgrauen Handschuhe dazu, gnädige Frau?«
    »Nachher. Erst die Frisur, Zöfchen!«
    »Uh!«
    »Na, na!«
    »Ja, aber es sind so viele Haare, gnädige Frau!«
    »Ja, ich weiß, und so ungebärdig. Diese elenden Locken. Noch nicht einmal vernünftige Korkenzieher bekommt man daraus gedreht. Am besten flechten wir wieder zwei Zöpfe und stecken sie auf. Ich nehme heute die leichte Strohschute dazu.«
    Gemeinsam bearbeiteten sie die bis zur Taille reichende Lockenflut mit Bürsten und zähmten sie dann mit unzähligen Haarnadeln. Zuletzt knüpfte Leonie die rosa Bänder der Kopfbedeckung neben dem Ohr zu einer breiten Schleife.
    »Nicht nur Storch im Salat und Tönnchen, um den Kopf auch noch ein Igel. Oder ein gespickter Rehbraten!«, knurrte Leonie, und wieder grinste das Mädchen.
    »Sie könnten sie ja abschneiden, gnädige Frau. Ich habe gehört, früher, da hatten Frauen ganz kurze Haare.«
    »Vor fünfzig Jahren, richtig. Da trug man das so. Aber da brauchte man auch keine Korsetts und Unterröcke, sondern hatte nur dünne Hemden an.«
    »Das war aber sehr unzüchtig.«
    »Vermutlich. Heute wäre man wohl entsetzt, wenn eine Frau sich darin in die Öffentlichkeit wagte. Was für ein Parfüm schlägst du mir vor, Ursel?«
    »Rosenwasser, gnädige Frau!«
    »Sehr gut.«
    Ursel ging mit dem Parfümzerstäuber um Leonie herum, dann reichte sie ihr Handschuhe, Retikül und Fächer und legte ihr den leichten Schal um die Schultern.

     
    Sonia von Danwitz hatte sie und Selma Kersting mit ihrem Wagen abgeholt, und zu dritt betraten sie das prächtige Stadthaus der Jacobs, die ihren Ballraum für die Ausstellung und den Vortrag zur Verfügung gestellt hatten. Sie waren noch früh, bisher hatten sich noch nicht sehr viele Besucher eingefunden, und so fand Frau von Danwitz ausreichend Zeit, ihre Begleiterinnen der Dame des Hauses vorzustellen. Leonie war ehrlich entzückt von Camilla Jacobs. Sie war eine sehr schlanke, hochgewachsene Frau mit bemerkenswert großen, dunklen Augen in einem ebenmäßigen, ruhigen Gesicht mit einer markanten Nase. Aber es war nicht nur das leicht exotische Aussehen, hervorgerufen durch die nachtschwarzen Haare und den goldenen Teint, sondern vor allem ihre wunderbar geschmeidigen Bewegungen, die sie faszinierten. Frau Jacobs sprach ein beinahe fehlerfreies Deutsch, doch mit leichten, sehr charmanten Verschleifungen der Silben. Ihr war eine natürliche Herzlichkeit zu eigen, und schon bald hatte sie Leonie, die ihr wegen ihrer Sprachkenntnisse ein Kompliment machte, in eine kleine Konversation verwickelt.
    »Ja, ich habe viel gelernt. Zu Hause, wir sprachen oft Französisch. Aber mein Gatte hat mir eine Lehrerin besorgt, ganz streng und sehr gebildet. Sie quälte mich Tag und Nacht!«
    »Sogar des Nachts, wie furchtbar!«
    »Ja, sie verfolgte mich in meinen Träumen, wie ein Nachtmahr!«
    »Nun, man sagt ja, wenn man in einer anderen Sprache träumt, dann beherrscht man sie, insofern wird sie wohl keine schlechte Lehrerin gewesen sein.«
    Das Lachen der Ägypterin klang wie fließender Honig.
    »Sie hat mich sprechen, denken und träumen gelehrt, richtig, aber nicht schreiben und lesen. Ich bin eine - wie sagt man? - lauschige

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