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Die Ungehorsame Historischer Roman

Titel: Die Ungehorsame Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Schriftstellerin!«
    »Lauschig zu schreiben ist bestimmt sehr originell, das andere Wort heißt lausig und wird nur von Lausbuben verwendet.«
    Noch einmal gluckste ihr Lachen auf, und mit einem kleinen Tipp ihres Fächers verabschiedete sie sich, um andere Eintreffende zu begrüßen.
    Bald hatten sich genügend Gäste versammelt, und man nahm auf den Stühlen Platz, die im Halbkreis um ein mit Blumen geschmücktes Rednerpult aufgebaut waren. Der ehrwürdige Professor, dessen
viele, sicher verdiente Titel Leonie bedauerlicherweise nicht behalten konnte, setzte zu seinem Vortrag an. Sie hatte sich darauf gefreut und war begierig, etwas über das fremde Land zu erfahren, das eine so faszinierende Kulturgeschichte aufwies, und in dem ihr Gatte für lange Zeit Aufenthalt genommen hatte, doch schon nach wenigen Minuten überfiel sie eine lähmende Mattigkeit. Es war nicht nur die Juliwärme, die den Raum beinahe unerträglich stickig werden ließ, es war auch der betrübliche Mangel an Modulation in der gelehrten Stimme und die Fülle unverständlicher, wissenschaftlicher Konnotationen, die der Vortragende vielsilbig von seinen Lippen fließen ließ. Vorsichtig sah Leonie sich um und fand in ihrer Nachbarschaft zwei eingenickte Matronen, einen leise schnarchenden Herrn und diverse Zuhörer, deren glasige Blicke andeuteten, dass sie sich in einem ähnlich hypnotisierten Zustand befanden wie sie selbst. Camilla Jacobs hingegen fing ihren Blick auf und verbarg ein Gähnen geschickt hinter ihrem Fächer. Leonie konnte nicht anders, sie zwinkerte ihr tatsächlich lausbubenhaft zu.
    Der Fächer flatterte zustimmend.
    Endlich fand die gesetzte Rede ein Ende, und Jacobs, nach einigen Dankesworten, die die Schläfer endgültig weckten, erklärte die Ausstellung für eröffnet. Man möge sich doch beim Betrachten der Wer- ke an den Kanapees und dem Champagner delektieren.
     
    Die Bilder, meist Aquarelle oder kolorierte Federzeichnungen, aber auch einige Ölgemälde, fesselten Leonie weit mehr als der Vortrag, und eine Weile genoss sie es, sich alleine die einzelnen Szenen anzusehen. Dann aber fand sie sich vor einem bezaubernden Bild wieder, auf dem eine recht leicht bekleidete Frau auf einem Teppich tanzte. Man vermeinte die goldenen Münzen ihres Kopfschmucks und die Reifen an ihren Armen klingeln zu hören. Das Tamburin schlug sie selbst, doch eine Flötenspielerin und eine Trommlerin saßen zu ihren Füßen und begleiteten sie.
    »Ungehörig!«, brummte die Matrone neben Leonie.
    »Aber nein«, antwortete die hinzutretende Camilla. »Tanzende Ouled Nail. Ein ganz besonderer Volksstamm, in dem die jungen Frauen eine eigene Tanztradition verfolgen.«
    Die Matrone drehte sich zu der Ägypterin um, maß sie mit einem
abfälligen Blick durch ihr Lorgnon und bemerkte kalt: »Sind Sie mir eigentlich vorgestellt worden?«
    Leonie machte einen Schritt zur Seite und brachte eine höfliche Verbeugung zustanden.
    »Oh, Generalin von der Lundt, wie erfreulich, Sie hier anzutreffen. Ich hoffe, Sie befinden sich wohl? Gestatten Sie mir doch, Ihnen Frau Jacobs vorzustellen, sie ist die Gastgeberin in diesem Haus!«
    Die Generalin richtete ihr Sehglas nun auf Leonie und musterte sie streng.
    »Leonora Gutermann. Richtig, Leonora Gutermann. Ist dein Vater auch hier?«
    »Nein, Frau Generalin. Ich lebe jetzt in Köln.«
    »Ach nein! Und du hast mir noch keinen Besuch abgestattet?«
    »Ich gab meine Karte ab, Frau Generalin. Vergangene Woche.«
    »Und was machst du hier in Köln? Hast du etwa deine Familie verlassen?«
    »Gewissermaßen. Ich heiratete im Mai.«
    »Geheiratet hast du? Und wieso weiß ich nichts davon?«
    »Vielleicht haben Sie die Post von meinem Vater übersehen?«
    »Nikodemus! Nikodemus, komm her.«
    Ein fülliger Herr mittleren Alters mit einem ungesund teigigen Gesicht näherte sich beflissen der Matrone.
    »Haben wir eine Anzeige von Leonoras Hochzeit erhalten?«
    »Ja, Mama. Und wir haben ein Silbertablett geschickt. Leonora, wie geht es Ihnen?«
    »Danke, Herr von der Lundt.«
    »Ah. Nikodemus, und das ist - äh …«
    »Frau Jacobs«, sprang Leonie noch einmal hilfreich ein und trat dann vorsichtig den Rückzug an. Sie fand Deckung bei ihren Begleiterinnen, die sich eifrig unterhaltend an ihren Champagnergläsern labten. Sie mochte die Generalin nicht besonders, aber wirklich unsympathisch war ihr Nikodemus, unter dessen Blicken sie sich immer irgendwie ausgezogen fühlte. Bei früheren Begegnungen hatte sie schon

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