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Die Ungehorsame Historischer Roman

Titel: Die Ungehorsame Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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nicht sehr geschätzt zu haben, will mir scheinen!«
    »Nein, Herr Mansel, ich habe es ihr zwar an der nötigen Achtung nicht fehlen lassen, aber sie weder geschätzt noch geliebt.«
    »Mein Gott, sind Sie eine gefühlsarme Frau!«, entfuhr es ihm. »Sie kennen weder Mütterlichkeit noch Mutterliebe.«
    »Damit haben Sie wohl Recht, Herr Mansel, diese Regungen sind mir fremd.«
    Ihre Antwort erschütterte ihn tatsächlich.
    »Warum denn nur, sagen Sie, warum?«
    »Sie war eine schwache, unselbstständige Frau, die sich dem Schicksal klaglos ergeben hat.«
    »Großer Gott, andere würden das als Tugend betrachten.«
    »Ich nicht.«
    »Sie sind widernatürlich. Man liebt seine Eltern doch!«
    »Ich habe, Herr Mansel, Sie zu lieben und ehren gelobt. Nicht meine Eltern. Wollen Sie mir das nun befehlen, weil ich Ihnen in meinem Ehegelöbnis Gehorsam versprechen musste?«
    Fassungslos sah Hendryk Mansel sein Weib an, das ihn unter der rüschenbesetzten Schute mit blitzenden Augen und geröteten Wangen herausfordernd ansah.
    Und diese verdammte, hartherzige Schlange sah dabei verdammt hübsch aus.
    Warum musste ihm das, verdammt noch mal, gerade jetzt auffallen?

Klatsch über Hendryk
    ES IST OFT EINE HÖCHST SONDERBARE SACHE UM DEN TON,
DER IN DER GESELLSCHAFT HERRSCHT.
    Freiherr von Knigge: Über den Umgang mit Menschen
     
     
    »Gnädige Frau, bitte, wenn Sie um vier Uhr ausgehen wollen, müssten Sie sich jetzt nach oben zum Umkleiden begeben!«
    Zöfchen Ursel stand schüchtern in der Tür zum Wohnzimmer, wo Leonie damit beschäftigt war, Briefe zu lesen.
    »Ich komme in fünf Minuten. Leg schon mal das rosa Kleid heraus.«
    »Ja, gnädige Frau!«
    Leonie las die letzte Seite von Pastor Merzenichs Brief nur noch flüchtig und legte ihn auf den Stapel zu beantwortender Schreiben. Sie war eine eifrige Briefeschreiberin. So erhielt ihre Stiefmutter wöchentlich ein förmliches, nichtssagendes Billet, der Pastor ein formvollendetes, vielsagendes und Edith ein recht formloses und ziemlich geschwätziges. Morgen würde sie ihr die Eindrücke von der heute stattfindenden Vernissage schildern.
    Als sie ihr Boudoir betrat, hatte Ursel schon alles zurechtgelegt, was eine untadelige Dame bei einem Besuch einer öffentlichen Veranstaltung zu tragen hatte. Sie half ihr, das lose, weiße Hauskleid abzulegen, und hielt ihr das Mieder hin, das ihrer Figur die modisch schmale Mitte schenken würde.
    »Nicht so straff, Ursel. Ich sehe lieber aus wie eine Tonne, als dass ich keine Luft mehr bekomme.«
    Ursel unterdrückte ein Kichern.
    »Sie sehen nicht aus wie eine Tonne, gnädige Frau!«
    »Als Zofe, Ursel, solltest du wissen, für die Taille einer Dame ist gerade mal der Umfang von drei Äpfeln vorgeschrieben. Alles andere wird man notw endigerweise als Tonne bezeichnen müssen.«
    Sie freute sich, dass Ursel weiterhin mit dem Lachen zu kämpfen hatte. Das Mädchen war seit dem verpatzten Ausflug ein wenig zugänglicher geworden, und es freute sie, sie manchmal zum Lachen bringen zu können. Sie war bei Weitem anders geartet als Rosalie, ih-
re jüngere Schwester, die beinahe gleichaltrig war. Ursel verfügte in der Tat über eine rasche Auffassungsgabe und große Wissbegier. Sie schien auch ein heiteres Gemüt zu entwickeln, und Leonie lobte sich selbst dafür, den Kindern ihre Märchenbücher gegeben zu haben. Die Fibeln der Elementarschule, die sie besuchten, befassten sich vornehmlich mit Heiligenlegenden, was sicher sittlich und erbaulich war, die Phantasie der Schüler aber in eine einseitige Richtung entwickelte. Aber in die schulische Erziehung wollte sie sich nicht einmischen, das war Aufgabe ihres Gatten.
    Ursel zog die Bänder straff, aber nicht zu fest und prustete dabei leise: »Ein Tönnchen!«, als sie die Miederbänder verknüpfte.
    »Na gut, nur ein Tönnchen, und das aber gut in Rüschen verpackt. Wie viele Unterröcke muss ich tragen?«
    Noch hatte sie nur das Unterhemd unter dem Mieder und die knielangen Batisthosen an, und die angehende Kammerfrau Ursel schnalzte missbilligend mit der Zunge.
    »Zuerst die Strümpfe. Die Sie anhaben, gehen nicht zu dem rosa Kleid, gnädige Frau. Sie sind ja gelb.«
    »Sie machen aber so hübsche Storchenbeine!«
    Wieder gluckste das Mädchen und legte ein Paar weißer, mit rosa Ranken bestickter Strümpfe auf den Stuhl.
    »Sie gehen zu einer Ausstellung und nicht in den Salat!«, erlaubte sie sich dann vorwurfsvoll zu bemerken.
    »Ja, da fürchte ich, hast du Recht. Also

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