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Die Ungehorsame Historischer Roman

Titel: Die Ungehorsame Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Fenster zeigte Spuren von Gewalttätigkeit. Doch erleichtert war er noch lange nicht.

    »Die Schlüssel, Hendryk! Die Schlüssel für die Tür und das Hoftor sind fort.« Tröstend legte sie ihm ihre Hand auf den Arm und meinte: »Ich möchte fast glauben, wir haben es hier mit einem Akt des Übermutes zu tun. Die zwei sind ausgekniffen, um ihre Art von Karneval zu erleben.«
    »Wenn das der Fall ist und sie wieder auftauchen, dann werde ich alle Grundsätze der Erziehung vergessen, die ich mir gebildet habe, und beiden mit Hingabe den Hintern versohlen!«

Ägyptische Messe
    UND LIEGT AUCH DAS ZÜNGLEIN IN PEINLICHER HUT,
VERPLAUDERN IST SCHÄDLICH, VERSCHWEIGEN IST GUT.
    Goethe: Der getreue Eckart
     
     
    Hinternversohlen war genau das, was Ursel und Lennard gerade eben von ihrem heimlichen Platz in den unterirdischen Gängen aus beobachteten. Dass es sich dabei um den nackten Hintern des hundeköpfigen Nikodemus von der Lundt handelte, erhöhte ihre herzlose Schadenfreude daran besonders. Trotzdem war ihnen nicht recht wohl bei der Sache. Erst hatte es ja richtig Spaß gemacht, die Schlüssel aus dem Kästchen zu mopsen, sich heimlich aus dem Haus zu schleichen, durch die Gassen zu laufen, wo allerlei Karnevalstreiben herrschte und sich niemand um zwei vorwitzige Kinder kümmerte, die zielstrebig zu dem Hof des Bierbrauers in der Budengasse liefen. Die Idee war bei beiden gekeimt, als sie die Kostüme für die Herrschaften hergerichtet hatten. Im Herbst hatte Lennards Schilderung von den maskierten Leuten Ursel beruhigt und von ihren bösen Träumen geheilt; inzwischen war das damit verbundenen Abenteuer harmlos geworden und die Neugier gewachsen. Zumal sie die Schilderung der schönen Tänzerin fasziniert hatte und sie mehr und mehr den Wunsch hegte, sie ebenfalls zu sehen.
    »Die feiern bestimmt heute auch, Lennard. Wir könnten für eine Weile da hin, die Gnädige ist ja mit dem Herrn auf dem Ball. Das merkt niemand.«
    Lennard war angetan von dem Gedanken. Eine kleine Mutprobe war es natürlich schon, aber das erhöhte das Prickeln eigentlich nur. Also waren sie aufgebrochen, nachdem die Herrschaften etwa eine Stunde fort waren. Ursel, in seinen drittbesten Hosen, stellte sich sogar ganz geschickt an, als es hieß, über die Mauer zu klettern, und zusammen schlichen sie durch den Gang hinter dem Fasslager.
    Zunächst war der Raum dunkel und leer, in dem sich die Tiermenschen trafen. Nur der kalte, süßliche Duft hing noch leicht in der kühlen Luft. Der Tisch mit der Schlange war nicht zu sehen, auch das
Löwenfell nicht. Eigentlich war es ein ganz harmloser, schäbiger Kelleraum. Lennard wollte ihn zu gerne durchsuchen, aber Ursel hatte eine gesunde Furcht davor, ihre heimliche Position aufzugeben.
    »Wenn die kommen, Lennard, erwischen sie dich. Wir warten hier einfach noch ein bisschen. Es hat vorhin halb elf geschlagen.«
    Sie mussten sich tatsächlich nicht lange gedulden. Es knarrte eine Tür, dann fiel ein Lichtstrahl in den Raum, und ein Vorhang wurde zur Seite geschoben. Ein Mann in einem prächtigen Ornat, aber ohne Maske, trat ein.
    »Kennst du den?«, wisperte Ursel.
    »Nein. Psst!«
    Der Ankömmling machte sich an der hinteren Wand zu schaffen und zog kurz darauf eine Truhe mitten in den Raum. Er öffnete sie und holte ein schwarzes Samttuch und die goldene Schlange heraus. Beinahe ehrfürchtig streichelte er sie und setzte sie dann auf den samtbedeckten Truhendeckel. Rechts und links davon steckte er zwei schwarze Kerzen in goldene Halter. Dann rollte er einen Teppich davor aus und richtete Weihrauchschalen. Als das Arrangement zu seiner Zufriedenheit war, lachte er leise auf, holte aus einem Verschlag den Widderkopf, stülpte ihn sich über und ergriff auch den langen Stab mit den Widderhörnern.
    Nach und nach kamen auch einige der anderen herein, sie jedoch alle schon mit ihren Masken auf den Kopf - das Krokodil, der Schakal, der Falke, das Nilpferd, der Stier und einer in einer einfachen schwarzen Kutte, der nur eine schwarze Gesichtsmaske trug, ähnlich der, die der Gnädige angezogen hatte. Jeder von ihnen vollführte vor der Schlangengestalt ein devotes Ritual, dann aber standen sie herum und unterhielten sich leise miteinander. Nach geraumer Zeit schließlich fragte der Widderköpfige: »Es ist gleich elf Uhr, wo bleiben Sor Sechmet und Fra Upunaut?«
    »Ich weiß es nicht, Fra Chnum. Sie wollten auf jeden Fall kommen. Fra Upunaut würde sich nie eine Weihehandlung entgehen

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