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Die Ungehorsame Historischer Roman

Titel: Die Ungehorsame Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Sie wahnsinnig?«, fuhr ihn jemand an und riss ihn zurück.

Maskenball
    ABER MAN SOLL NICHT ALLER ORTEN GELEHRSAMKEIT,
FEINE KULTUR FORDERN … SONDERN SICH AUCH UNTER
MENSCHEN VON ALLERLEI STÄNDEN MISCHEN; SO LERNT
MAN NACH UND NACH DEN TON UND DIE STIMMUNG ANNEHMEN,
DIE NACH ZEIT UND UMSTÄNDEN ERFORDERT WERDEN.
    Freiherr von Knigge: Über den Umgang mit Menschen
     
     
    Es war ein Zugeständnis, vielleicht sogar ein riskantes, aber Hendryk wusste, er bereitete Leonie damit eine echte Freude. Tagelang hatte sie zusammen mit Ursel an einem Kostüm gestichelt, und Lennard hatte mit für einen Jungen sagenhafter Geduld die Locken einer alten Allongeperücke - auf wessen staubigen Speicher sie die wohl hervorgekramt hatten? - entwirrt und gebürstet, ausgelüftet und parfümiert. Das Resultat saß nun auf seinem Kopf und duftete muffig und nach Kölnisch Wasser, aber wenigstens gab es weder Motten noch Läuse darin. Schwarz ringelten sich die Locken bis weit über seinen Rücken, und tatsächlich gab sie ihm statt eines weibischen Akzents ein ausgesucht verwegenes Air. Ein Dreispitz mit nur einer Spur von Mottenfraß, eine schwarze Halbmaske, die auch die Augen mit feinem Tüll verbarg, und ein dunkelroter Domino machten ihn zum schneidigen Chevalier d’Antan. An seinen Arm schmiegte sich eine kesse Wäscherin, deren blauer, gelbgeblümter Rock eine gute Handbreit des Spitzenunterrocks freiließ und dieser wiederum sehr hübsche, schmale Fesseln in vielleicht für Wäscherinnen nicht ganz angemessenen blauen Schühchen. Ein gelbes Schnürmieder schmiegte sich über eine voluminöse weiße Bluse, eine weiße Spitzenhaube verdeckte die Locken und eine blaue Halbmaske den Großteil ihres Gesichts. An ihrer Schürze steckten hölzerne Wäscheklammern, und aus der Tasche hing ein frivoler, aber vermutlich frisch gewaschener Strumpf.
    »Wir sollten den Saal getrennt betreten, mein Herr. Für einen Chevalier ziemt es sich nicht, mit einer schlichten Wäscherin am Arm zu erscheinen.«

    »Ziehen Sie es etwa vor, sich mit den niederen Ständen gemein zu machen? Gar den verbrecherischen Subjekten, wie etwa diesem Piraten dort?«
    Man hatte das Haus am Filzgraben erreicht, wo der Maskenball im maurischen Festsaal der Weyers stattfinden sollte, und ein wild dreinblickender Seeräuber mit Augenklappe und gefährlichem Entermesser in der roten Bauchbinde winkte ihnen von den Eingangsstufen zu.
    »Ernst von Benningsen auf Kaperfahrt?«
    »Unbedingt. An Karneval treten hinter den Masken die wahren Charaktere hervor, das wissen Sie doch!«
    Sein Weib kicherte wäscherinnenmäßig und hängte sich bei seinem Freund ein, um den Ballsaal zu betreten. Er selbst folgte ihnen mit einigem Abstand. In Köln lebte er nun seit fast vier Jahren, es war seine dritte Karnevalssaison, und noch immer packte ihn das Staunen, mit welcher Ernsthaftigkeit man den Frohsinn zelebrierte und sich in den wunderlichsten Verwandlungen erging. Doch nicht alle Ballbesucher konnten ihre Identität verheimlichen, auch wenn von verhüllenden oder enthüllenden Gewändern, Masken, Schleiern und Kapuzen verschwenderisch Gebrauch gemacht wurde. Frau von Alfter war an ihrem Geschnatter sofort erkennbar, auch wenn sie im gestärkten Radkragen eine füllige Königin Elisabeth gab. In dem mit Pelzen behangenen Germanenfürsten konnte er recht schnell einen der Eisenbahndirektoren erkennen, die kecke Gärtnerin, mit der er den ersten Tanz absolvierte, nannte er nur aus Höflichkeit »schöne Unbekannte«, und den türkischen Pascha, ihren Vater, aus gleichem Grund Ali Baba. Er selbst war sich recht sicher, dass niemand ihn erkannte, aber er hatte ja auch ein gewisses Talent im Maskentragen erworben.
    Zwischen den Musikstücken traten immer wieder mehr oder minder begnadete Künstler auf, die launige Gedichte vortrugen oder harmlosen Klamauk trieben. Den preußischen Herren war der Karneval äußerst suspekt, weshalb man tunlichst bei unschuldigen Scherzen blieb. Spitzel gab es überall, und die Zensur war scharf. Leider nahm das den Vorträgen einen großen Teil des Reizes. Er selbst war durchaus der Meinung, man dürfe Kritik auch aussprechen, und wenn es auf eine kunstvolle Art geschah, die durch Lachen
gemildert wurde, dann hatte das sozusagen einen reinigenden Effekt.
    Er sann darüber nach, als die zwei Schornsteinfeger ihr kindisches Couplet sangen, und beobachtete aus einem Augenwinkel seine Gattin, die sich zu einem überaus eleganten Zimmermädchen gesellte,

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