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Die Ungetroesteten

Titel: Die Ungetroesteten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kazuo Ishiguro
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Mitgefühl behandeln müßten, schließlich wäre ich wie eine Kranke, es wäre ihre Pflicht, freundlich zu sein. Aber natürlich könnten sie mich nicht behalten, wie könnte jemand wie ich schließlich zur Stiftung gehören? Ach, sie werden sich prächtig amüsiert haben heute, ich höre es förmlich, genauso wie sie das gesagt hat, als ich angerufen habe. ›Ach ja, Sie sind es, meine Liebe.‹ Und da habe ich gedacht, na schön, dann werde ich euch eben nicht vorwarnen. Wollen doch mal sehen, wohin es führt, wenn man mir nicht glaubt. Das habe ich so bei mir gedacht. Ich habe gedacht, wollen hoffen, daß es dich völlig umwirft, wenn du die Tür aufmachst und siehst, wer da neben mir steht. Wollen hoffen, daß du deine schäbigsten Kleider anhast, vielleicht deinen Jogginganzug, und daß du überhaupt kein Make-up trägst, so daß diese Erhebung da an deiner Nase deutlich zu sehen ist, und daß du dein Haar straff zurückgekämmt hast, so wie du es manchmal tust, und dann mindestens fünfzehn Jahre älter aussiehst. Und wollen hoffen, daß deine Wohnung ganz unaufgeräumt ist, daß all diese dämlichen Zeitschriften, diese Skandalblättchen und Liebesschnulzen, die du immer liest, überall herumliegen, und daß es dich so umwirft, daß du nicht weißt, was du sagen sollst, und daß dir alles so furchtbar peinlich ist und daß du alles nur noch schlimmer machst, wenn du eine alberne Sache nach der anderen sagst. Und daß du Erfrischungen anbietest und dann feststellen mußt, daß es dir an allem fehlt, und daß du dir so dumm vorkommst, weil du mir nicht geglaubt hast. Wollen doch mal sehen, dachte ich so bei mir. Also habe ich es ihr nicht erzählt, keiner habe ich etwas erzählt. Ich habe einfach nur gesagt, ich komme in Begleitung eines Freundes.« Sie schwieg und beruhigte sich ein wenig. Dann sagte sie: »Tut mir leid. Ich hoffe, ich höre mich nicht rachsüchtig an. Aber danach habe ich mich schon den ganzen Tag gesehnt. Es hat mich aufrecht gehalten, als ich all diese Fahrkarten kontrolliert habe, es hat mich aufrecht gehalten. Die Fahrgäste müssen sich gewundert haben, wieso ich mit so einem, du weißt schon, mit so einem Leuchten in den Augen herumgelaufen bin. Tja, wenn du einen engen Terminplan hast, denke ich, wir sollten uns wohl besser gleich auf den Weg machen. Wir können bei Trude anfangen. Inge ist sicher bei ihr, um diese Zeit ist sie meistens da, so daß wir die beiden gleich als erste abhaken können. Die anderen sind mir ziemlich egal. Ich will bloß die Blicke dieser beiden sehen. Tja, dann wollen wir mal gehen.«
    Sie machte sich auf den Weg nach oben, ihre Müdigkeit von vorhin war verflogen. Die Treppen schienen sich endlos hinzuziehen, Etage um Etage, bis ich allmählich um Atem kämpfte. Doch Fiona schien sich überhaupt nicht anstrengen zu müssen. Während wir hochgingen, redete sie immer weiter, ihre Stimme hatte sie gesenkt, als ob überall um uns herum Leute zuhören könnten.
    »Du mußt nicht unbedingt viel mit ihnen reden«, hörte ich sie irgendwann sagen. »Laß sie einfach nur ein paar Minuten um dich herumscharwenzeln. Aber natürlich könntest du mit ihnen über die Sache mit deinen Eltern sprechen.«
    Als wir endlich oben angekommen waren, war ich so außer Atem – mein Brustkorb hob und senkte sich deutlich, während ich schnaufte -, daß ich nicht in der Lage war, meine Umgebung allzu aufmerksam zu betrachten. Mir wurde bewußt, daß ich an einer Reihe von Türen einen schwach erleuchteten Korridor entlanggeführt wurde und daß Fiona, die meine Probleme nicht bemerkte, mir voranmarschierte. Dann plötzlich blieb sie stehen und klopfte an eine Tür. Als ich sie eingeholt hatte, mußte ich mich mit der Hand am Türrahmen abstützen, ich hatte den Kopf gesenkt und bemühte mich, wieder zu Atem zu kommen. Als die Tür aufging, muß ich neben der triumphierenden Fiona eine recht zusammengefallene Figur abgegeben haben.
    »Trude«, sagte Fiona. »Ich habe einen Freund mitgebracht.«
    Mit einiger Mühe richtete ich mich auf und lächelte freundlich.

SECHZEHN
    Die Frau, die die Tür geöffnet hatte, war um die Fünfzig, rundlich und hatte kurzes weißes Haar. Sie trug einen weiten rosafarbenen Pullover und ausgebeulte gestreifte Hosen. Trude warf mir einen kurzen Blick zu, und dann, als sie nichts irgendwie Ungewöhnliches sehen konnte, wandte sie sich an Fiona und sagte: »Ach so. Tja, ich nehme an, Sie sollten hereinkommen.«
    Die Herablassung war offensichtlich, schien

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