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Die Ungetroesteten

Titel: Die Ungetroesteten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kazuo Ishiguro
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aber Fionas Vorfreude nur noch zu erhöhen, und sie schenkte mir ein verschwörerisches Lächeln, während wir Trude in die Wohnung folgten.
    »Ist Inge bei Ihnen?« fragte Fiona, als wir in einen winzigen Flur traten.
    »Ja, wir sind gerade erst zurückgekommen«, antwortete Trude. »Tatsächlich haben wir eine Menge zu berichten. Und da Sie nun zufällig gerade vorbeikommen, sollen Sie auch als erste unsere Neuigkeiten erfahren. Was haben Sie doch für ein Glück.«
    Diese letzte Bemerkung schien ohne jede Ironie zu sein. Dann entschwand Trude durch eine Tür und ließ uns in dem winzigen Flur stehen, und wir hörten ihre Stimme aus dem Zimmer: »Inge, Fiona ist da. Und sie hat irgendeinen Freund mitgebracht. Ich denke, wir sollten ihr erzählen, was wir heute nachmittag erlebt haben.«
    »Fiona?« Inges Stimme klang leicht empört. Dann sagte sie mit einiger Anstrengung: »Tja, ich nehme an, dann sollte sie hereinkommen.«
    Fiona, die dieses Gespräch mitangehört hatte, lächelte mir wieder aufgeregt zu. Dann erschien Trudes Kopf in der Tür, und wir wurden in das Wohnzimmer geführt.
    In Größe und Form war der Raum dem Wohnzimmer der untersetzten Frau nicht unähnlich, wenn auch die Einrichtung etwas schnörkelig und von Blumenmustern beherrscht war. Vielleicht lag es einfach nur daran, daß diese Wohnung in eine andere Himmelsrichtung ging, oder vielleicht hatte sich der Himmel draußen ein wenig aufgeklärt. Jedenfalls wanderte die Nachmittagssonne durch das große Fenster herein, und als ich in das Licht trat, rechnete ich fest damit, daß die beiden Frauen aufschrecken und mich erkennen würden. Fiona dachte offensichtlich dasselbe, denn ich merkte, daß sie vorsichtig zur Seite trat, für den Fall, daß ihre Anwesenheit die Wirkung beeinträchtigen könnte. Doch weder Trude noch Inge schien etwas zu bemerken. Beide warfen mir einen gleichgültigen Blick zu, und dann forderte Trude uns recht kühl auf, uns zu setzen. Wir setzten uns nebeneinander auf eine schmale Couch. Obwohl Fiona anfangs etwas verwirrt war, schien sie zu dem Schluß zu kommen, daß die unerwartetete Wendung der Ereignisse nur noch dazu dienen könnte, den Augenblick der Erkenntnis zu intensivieren, wenn er denn kam, und schenkte mir ein weiteres fröhliches kleines Grinsen.
    »Soll ich es ihr sagen, oder will du?« fragte Inge.
    Trude, die sich der jüngeren Frau eindeutig unterordnete, antwortete: »Nein, tu du es, Inge. Du hast es verdient. Aber, Fiona« – sie wandte sich an uns -, »Sie dürfen es noch nicht weitererzählen. Wir wollen es uns als Überraschung für das Treffen heute abend aufheben, das ist sicher nur recht und billig. Ach, haben wir Ihnen noch gar nichts von dem Treffen heute abend gesagt? Na ja, das haben wir ja nun hiermit erledigt. Kommen Sie doch, wenn Sie können. Aber da Sie ja einen Freund zu Besuch bei sich haben« – sie nickte in meine Richtung – »hätten wir vollstes Verständnis dafür, wenn Sie es nicht einrichten können. Aber Inge, fang doch einfach an zu erzählen, das hast du dir wirklich verdient.«
    »Also, Fiona, ich bin sicher, das wird Sie sehr interessieren, wir haben einen außerordentlich aufregenden Tag hinter uns. Wie Sie ja wissen, hat Herr von Braun uns für heute in sein Büro eingeladen, damit wir mit ihm persönlich unsere Pläne bezüglich der Betreuung von Mr. Ryders Eltern besprechen könnten. Ach, davon wußten Sie gar nichts? Und ich dachte, alle wüßten davon. Na ja, heute abend werden wir in allen Einzelheiten darüber berichten, wie das Treffen gelaufen ist, für den Augenblick will ich nur sagen, daß alles wirklich gut gelaufen ist, obwohl das Treffen ein wenig abgekürzt werden mußte. Oh, Herr von Braun war wirklich sehr zerknirscht deswegen, zerknirschter hätte er gar nicht sein können, nicht wahr, Trude? Er war deshalb so zerknirscht, weil er ganz früh schon wieder fortmußte, aber als wir den Grund erfuhren, tja, da hatten wir natürlich vollstes Verständnis. Wissen Sie, man hatte doch diesen höchst wichtigen Ausflug in den Zoo arrangiert. Ach, da mögen Sie vielleicht lachen, meine liebe Fiona, aber es handelte sich natürlich nicht um einen gewöhnlichen Ausflug in den Zoo. Eine offizielle Gesellschaft, selbstverständlich einschließlich Herrn von Braun selbst, sollte Mr. Brodsky dorthin begleiten. Wußten Sie, daß Mr. Brodsky noch nie in unserem Zoo gewesen ist? Aber das wirklich Entscheidende war, daß man auch Miss Collins überredet hatte hinzukommen.

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