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Die Ungetroesteten

Titel: Die Ungetroesteten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kazuo Ishiguro
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Ja, es ist für alles gesorgt, wie Sie sehen werden, wenn Sie alles dort inspizieren.«
    Ich dachte einen Augenblick lang darüber nach. Dann sagte ich: »Meine Eltern. Über die sprechen wir hier doch. Ich hoffe, das ist jetzt kein Mißverständnis.«
    »Nein, Mr. Ryder. Bitte machen Sie sich keine Sorgen.«
    Ich bedankte mich bei ihr und kehrte den öffentlichen Fernsprechern den Rücken zu. Als ich wieder zum Restaurant kam, blieb ich einen Moment auf der Türschwelle stehen. Der Sonnenuntergang warf jetzt lange Schatten durch den Raum. Die beiden Frauen mittleren Alters unterhielten sich immer noch ernst, obwohl ich unmöglich sagen konnte, ob sie weiterhin über mich redeten. Weiter hinten im Raum sah ich, wie Boris Sophie etwas erklärte und beide dann fröhlich lachten. Ich blieb noch einen Augenblick lang stehen und ging in Gedanken noch einmal das Gespräch durch, das ich gerade mit Miss Stratmann geführt hatte. Je mehr ich darüber nachdachte, um so deutlicher begriff ich, daß tatsächlich etwas Vermessenes an der Vorstellung war, ich könnte irgendeinen Nutzen davon gehabt haben, wenn die Gräfin mir Brodskys alte Aufnahmen vorgespielt hätte. Zweifellos hatten sie und von Winterstein sich schon darauf gefreut, mich Takt für Takt durch die Musik zu leiten. Der Gedanke daran verärgerte mich, und ich war dankbar, daß ich den Termin hatte ausfallen lassen müssen.
    Dann schaute ich auf die Uhr und sah, daß wir trotz all meiner beruhigenden Worte Miss Stratmann gegenüber Gefahr liefen, zu spät zur Galerie Karwinsky zu kommen. Ich ging zu unserem Tisch hinüber, und ohne mich zu setzen sagte ich:
    »Wir müssen jetzt los. Wir sind schon ziemlich lange hier gewesen.«
    Ich hatte mit einiger Dringlichkeit gesprochen, doch Sophie schaute einfach auf und sagte:
    »Boris findet, diese Doughnuts sind die besten, die er je gegessen hat. Das hast du doch gesagt, nicht, Boris?«
    Ich schaute zu Boris hin und sah, daß er mich überhaupt nicht beachtete. Da fiel mir unser kleiner Wortwechsel wieder ein – für den Moment hatte ich gar nicht mehr daran gedacht -, und es schien mir das beste zu sein, etwas Versöhnliches zu sagen.
    »Die Doughnuts sind also gut, meinst du«, sagte ich zu ihm. »Läßt du mich ein Stückchen probieren?«
    Doch Boris schaute immer noch in die andere Richtung. Ich wartete einen Moment, dann zuckte ich mit den Schultern.
    »Na schön«, sagte ich. »Wenn du nicht mit mir reden willst, ist es auch gut.«
    Sophie berührte Boris an der Schulter und wollte sich gerade bittend an ihn wenden, aber da drehte ich mich schon um und sagte: »Also kommt, wir müssen uns auf den Weg machen.«
    Sophie stieß Boris noch einmal an. Dann sagte sie zu mir, und in ihrer Stimme schwang Verzweiflung mit: »Laß uns doch noch ein bißchen bleiben. Du hast doch kaum hier mit uns am Tisch gesessen. Und Boris gefällt es hier doch so. Nicht wahr, Boris?«
    Wieder gab Boris durch nichts zu erkennen, ob er zugehört hatte.
    »Also hört mal, wir müssen uns jetzt aber wirklich beeilen«, sagte ich. »Wir werden noch zu spät kommen.«
    Wieder schaute Sophie auf Boris, dann auf mich, in ihrem Gesichtsausdruck spiegelte sich Verärgerung. Dann schließlich stand sie langsam auf. Ich drehte mich um und ging den ganzen Weg durch das Restaurant zum Ausgang, ohne zu ihnen zurückzuschauen.

ACHTZEHN
    Bis ich den Wagen die steile, kurvenreiche Straße hinunter und dann zurück auf die Landstraße gelenkt hatte, stand die Sonne schon sehr tief am Himmel. Es waren ebenso wenige Autos unterwegs wie vorher, und ich fuhr eine ganze Weile mit recht hoher Geschwindigkeit und hielt am Horizont Ausschau nach dem roten Wagen. Ein paar Minuten später hatten wir die gebirgige Gegend hinter uns gelassen und durchquerten ausgedehnte Flächen Ackerlandes. Zu beiden Seiten der Landstraße erstreckten sich die Felder bis weit in die Ferne. Und dann, als die Straße in einer langen, sanften Kurve um ein Areal flachen Landes herumführte, entdeckte ich den roten Wagen wieder. Er war noch ein ganzes Stück weit weg, doch ich sah, daß der Fahrer noch immer in gemächlichem Tempo fuhr. So verringerte auch ich die Geschwindigkeit und genoß schon bald den Anblick der sich vor mir entfaltenden Landschaft: die abendlichen Felder, die tiefstehende Sonne, die hinter weit entfernten Bäumen aufflackerte, die gelegentlichen Gebäudegrüppchen eines Gehöfts – und die ganze Zeit war der rote Wagen vor uns, mal sichtbar und dann, bei jeder

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