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Die Ungetroesteten

Titel: Die Ungetroesteten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kazuo Ishiguro
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Ereignisse habe ich jetzt schon etliche Tage keine Gelegenheit mehr gehabt, ein Klavier anzurühren. Ich muß darauf bestehen, daß man mir so schnell wie irgend möglich Zugang zu einem Klavier gewährt.«
    »Ach ja, Mr. Ryder. Natürlich, das ist vollkommen verständlich. Ich werde alles tun, um behilflich zu sein. Aber was den Salon betrifft, tja, das wäre gerade im Moment nicht sehr praktisch. Sehen Sie, da sind so viele Gäste...«
    »Für Mr. Brodsky scheinen Sie den Salon immer gern zu räumen.«
    »Ach ja, richtig. Tja, Mr. Ryder, wenn Sie unbedingt darauf bestehen, daß Sie das Klavier im Salon lieber als alle anderen Klaviere im Hotel möchten, dann natürlich, ja, dann würde ich Ihrem Wunsch nur zu gern entsprechen. Ich würde jetzt gleich persönlich hineingehen und alle Gäste bitten, den Raum zu verlassen, egal, ob sie nun gerade mitten beim Kaffeetrinken sind oder sonst etwas tun. Ja, das würde ich im äußersten Fall machen. Aber bevor ich zu solch extremen Maßnahmen greife, seien Sie doch bitte so freundlich und ziehen Sie gewisse andere Möglichkeiten in Erwägung. Sehen Sie, Mr. Ryder, es ist keineswegs so, daß das Instrument im Salon das beste des Hotels ist. Die tiefen Töne sind in der Tat etwas problematisch.«
    »Wenn es denn nun nicht der Salon sein soll, Mr. Hoffman, dann sagen Sie mir bitte um Himmels willen, was Sie sonst zur Verfügung haben. Auf den Salon lege ich keinen übermäßigen Wert. Was ich brauche, ist einfach ein gutes Klavier und ein bißchen Abgeschiedenheit.«
    »Der Probenraum. Der würde Ihren Bedürfnissen weit mehr entsprechen.«
    »Also schön. Dann eben der Probenraum.«
    »Ausgezeichnet.«
    Er ging voraus, um mir den Weg zu zeigen. Doch schon nach ein paar Schritten blieb er wieder stehen und beugte sich vertrauensvoll zu mir herüber.
    »Ich gehe also davon aus, Mr. Ryder, daß Sie den Probenraum sofort brauchen, wenn Sie von dem Treffen kommen?«
    »Mr. Hoffman, ich möchte Ihnen nicht noch einmal die Dringlichkeit der gegenwärtigen Lage vor Augen führen müssen...«
    »Ach ja, ja, Mr. Ryder. Natürlich, natürlich. Ich verstehe vollkommen. Also... also Sie wollen vor dem Treffen proben. Ja, ja, ich verstehe voll und ganz. Das wird überhaupt kein Problem sein, diese Leute werden sich mehr als glücklich schätzen, ein Weilchen zu warten. Na ja, macht nichts, hier entlang bitte.«
    Wir verließen die Hotelhalle durch eine Tür, die ich bis dahin nicht bemerkt hatte und die sich links von den Aufzügen befand, und bald schon gingen wir einen Korridor entlang, der offensichtlich nur vom Personal benutzt wurde. Die Wände waren schmucklos, und die Neonröhren über uns warfen auf alles ein hartes, grelles Licht. Wir kamen an einer Reihe breiter Schiebetüren vorbei, hinter denen Küchengeräusche zu hören waren. Eine Tür stand offen, und ich konnte einen flüchtigen Blick auf einen grell erleuchteten Raum werfen, in dem sich auf einer Holzbank ganze Türme von Metallkanistern stapelten.
    »Wir müssen die meisten Vorbereitungen für den heutigen Abend hier im Haus treffen«, sagte Hoffman. »Wie Sie sich denken können, gibt es im Konzertsaal nur sehr begrenzte Möglichkeiten, ein Essen zuzubereiten.«
    Der Korridor machte eine Biegung, und wir passierten Räume, die Waschküchen zu sein schienen. Wir kamen an einer Tür vorbei, hinter der zwei Frauen zu hören waren, die sich mit besorgniserregender Bosheit anschrien. Doch Hoffman schien davon nichts zu merken und ging weiter, ohne ein Wort zu sagen. Dann hörte ich ihn brummeln:
    »Nein, nein, diese Leute von der Bürger-Selbsthilfe. Die werden trotz allem sehr dankbar sein. Eine kleine Verzögerung wird ihnen nichts ausmachen.«
    Schließlich blieb er vor einer nicht näher gekennzeichneten Tür stehen. Ich rechnete damit, daß er mir die Tür aufhalten würde, doch statt dessen senkte er den Blick und drehte den ganzen Körper weg.
    »Da drin, Mr. Ryder«, murmelte er und deutete mit einer flüchtigen Geste über die Schulter hinweg zur Tür.
    »Danke, Mr. Hoffman.« Ich stieß die Tür auf.
    Hoffman blieb starr stehen, den Blick hatte er immer noch abgewendet. »Ich werde hier auf Sie warten«, murmelte er.
    »Das ist wirklich nicht nötig, Mr. Hoffman. Ich finde schon allein zurück.«
    »Ich werde hier sein, Mr. Ryder. Keine Sorge.«
    Ich konnte es mir nicht leisten, mit einer Auseinandersetzung Zeit zu verschwenden, und eilte durch die Tür.
    Ich betrat einen langen, schmalen Raum mit grauem

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