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Die Ungetroesteten

Titel: Die Ungetroesteten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kazuo Ishiguro
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Hände voll zu tun. Und was mich betrifft, nun ja, ich muß mich um so vieles kümmern, und außerdem muß ich auch noch ein paar Zeilen proben. Haha! Wie Sie ja wissen, muß ich heute abend auch eine kleine Rede halten. Und so banal Ihnen das auch erscheinen mag im Vergleich zu Ihrem eigenen Beitrag und natürlich auch zu dem unseres Herrn Brodsky, der sich im übrigen ein wenig verspätet hat, glaube ich dennoch, daß ich mich so gut wie irgend möglich vorbereiten sollte. Ja, ja, Mr. Brodsky hat sich ein wenig verspätet, das ist wahr, aber es besteht kein Anlaß zur Sorge. Dies hier ist übrigens seine Garderobe, ich habe sie gerade noch einmal überprüft. Eine ganz ausgezeichnete Garderobe. Ich bin fest davon überzeugt, daß er jeden Moment hiersein wird. Wie Sie ja wissen, Mr. Ryder, habe ich persönlich Mr. Brodskys, ähm, Genesung überwacht, und wie erfreulich ist es doch gewesen, das mitzuerleben. So viel Willenskraft, so viel Würde! Und das in einem Maße, daß ich heute abend, an diesem alles entscheidenden Abend, vollstes Vertrauen habe. O ja. Vollstes Vertrauen! Tatsächlich wäre ein Rückfall in diesem Stadium einfach undenkbar. Eine Katastrophe für die ganze Stadt! Und natürlich eine ganz persönliche Katastrophe für mich. Selbstverständlich ist das nur eine recht banale Sorge, aber verzeihen Sie, Sie werden mir dennoch gestatten zu sagen, daß ein Rückfall an diesem alles entscheidenden Abend, in dieser Phase, für mich, nun ja, für mich das Ende bedeuten würde. So kurz vor dem Triumph wäre es für mich das Ende. Ein demütigendes Ende! Ich könnte niemandem in dieser Stadt mehr in die Augen schauen. Ich müßte mich verstecken. Ha! Aber was tue ich denn hier, was rede ich von solch unwahrscheinlichen Szenarien? Ich habe vollstes Vertrauen in ihn. Er wird kommen.«
    »Ja, das wird er ganz bestimmt, Mr. Hoffman«, sagte ich. »Tatsächlich bin ich sicher, daß dieses ganze Spektakel heute abend ein großer Erfolg wird...«
    »Ja, ja, das weiß ich doch!« rief er voller Ungeduld. »Das braucht man mir in dieser Phase nun wirklich nicht mehr zu bestätigen. Ich hätte das auch überhaupt nicht erwähnt, schließlich ist noch soviel Zeit, ehe alles beginnt, ich hätte das auch überhaupt nicht erwähnt, wären da nicht... wären da nicht vorhin diese Vorkommnisse gewesen.«
    »Vorkommnisse?«
    »Ja, ja. Ach, Sie haben noch nichts davon gehört. Wie sollten Sie auch? Es ist ja auch nichts von Bedeutung, Mr. Ryder. Eine gewisse Reihe von Ereignissen hat sich heute abend zugetragen, und als Folge davon hat Mr. Brodsky, als ich ihn vor einigen Stunden verließ, ein kleines Glas Whisky getrunken. Nein, nein, Mr. Ryder! Ich weiß, was Sie jetzt denken. Nein, nein! Er hat mich vorher zu Rate gezogen. Und nach einiger Überlegung habe ich nachgegeben, denn ich bin zu dem Schluß gekommen, daß ein kleines Glas unter diesen besonderen Umständen keinen Schaden anrichten könnte. Ich habe nach bestem Wissen und Gewissen entschieden, Mr. Ryder. Vielleicht habe ich mich geirrt, das werden wir ja sehen. Ich jedenfalls glaube das nicht. Natürlich, wenn ich die falsche Entscheidung getroffen hätte, dann wäre dieser ganze Abend – pah! – von Anfang bis Ende eine einzige Katastrophe! Ich werde mich für den Rest meines Lebens verstecken müssen. Aber Tatsache ist, Mr. Ryder, daß die Dinge heute abend eine recht komplizierte Wendung genommen haben und daß ich gezwungen war, eine Entscheidung zu treffen. Na ja, das Ende vom Lied war jedenfalls, daß ich Mr. Brodsky bei sich zu Hause mit diesem kleinen Glas Whisky zurückgelassen habe. Ich bin voller Zuversicht, daß er es dabei hat bewenden lassen. Allerdings denke ich jetzt ständig daran, daß ich irgend etwas wegen des Schränkchens hätte unternehmen sollen. Aber eigentlich bin ich damit wohl etwas überängstlich. Schließlich hat Mr. Brodsky solche Fortschritte gemacht, daß man ihm zweifelsohne, ja, zweifelsohne vertrauen kann.« Er hatte die ganze Zeit an seiner Fliege herumgefingert, und jetzt stellte er sich vor den Spiegel, um sie wieder zu richten.
    »Also, Mr. Hoffman«, sagte ich, »was genau ist denn eigentlich passiert? Wenn etwas mit Mr. Brodsky passiert ist, oder wenn sich sonst irgend etwas zugetragen hat, das den Ablauf in irgendeiner Weise ändern könnte, dann sollte man mich doch wohl unverzüglich davon in Kenntnis setzen. Da geben Sie mir doch wohl recht, Mr. Hoffman.«
    Der Hoteldirektor lachte kurz auf. »Sie mißverstehen

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