Die Ungetroesteten
das völlig, Mr. Ryder. Es gibt keinerlei Anlaß zur Sorge für Sie. Schauen Sie mich an, bin ich etwa besorgt? Nein. Mein guter Ruf hängt von diesem Abend ab, und bin ich nicht trotzdem die Ruhe und Zuversicht in Person? Glauben Sie mir, Mr. Ryder, da ist wirklich nichts, das Ihnen Kummer bereiten müßte.«
»Was haben Sie denn eben gemeint, Mr. Hoffman, als Sie von diesem Schränkchen sprachen?«
»Schränkchen? Ach, nur dieses Schränkchen, das ich heute abend bei Mr. Brodsky zu Hause entdeckt habe. Wie Sie vielleicht wissen, wohnt er seit vielen Jahren in einem kleinen alten Bauernhaus unweit des Nördlichen Zubringers. Ich bin natürlich schon oft dort gewesen, aber da alles immer ein bißchen unordentlich gewesen ist – Mr. Brodsky hat zweifellos seine ganz eigene Methode beim Aufräumen -, habe ich mich in seinem Haus nie besonders gründlich umgeschaut. Mit anderen Worten, ich habe erst heute abend entdeckt, daß er doch noch einen weiteren Getränkevorrat hatte. Er hat mir hoch und heilig versichert, daß er das völlig vergessen hatte. Erst heute abend, erst als ich gesagt habe, daß man, na ja, unter den Umständen, unter diesen ganz besonderen Umständen aufgrund der Aufregung mit Miss Collins und so weiter – sehen Sie, nur aufgrund dieser Umstände war ich mit ihm einer Meinung, daß es alles in allem genommen, trotz des wirklich sehr kleinen Risikos, tatsächlich das beste für ihn wäre, ein einziges kleines Glas Whisky zu trinken, nur um sein Gleichgewicht wiederzufinden. Schließlich, Mr. Ryder, war der Mann ganz durcheinander nach der Aufregung mit Miss Collins. Und erst da, als ich ihm anbot, eine Taschenflasche aus meinem Auto zu holen, da fiel Mr. Brodsky ein, daß es immer noch ein Schränkchen gab, das er nicht ausgeräumt hatte. Also gingen wir in seine, äh, Küche, ja, ich denke, so könnte man es nennen. Mr. Brodsky ist in den vergangenen Monaten mit der Renovierung des Hauses wirklich gut vorangekommen. Er hat stetige Fortschritte gemacht, und die Elemente haben kaum noch eine Chance einzudringen, wenn es natürlich auch noch keine Fenster im eigentlichen Sinne gibt. Jedenfalls hat er das Schränkchen geöffnet, das übrigens auf der Seite lag, und da war dann, nun ja, da war etwa ein Dutzend alter Flaschen mit Alkohol. Meist Whisky. Mr. Brodsky war genauso überrascht wie ich. Mir ist schon durch den Kopf gegangen, das muß ich ja zugeben, daß ich etwas tun sollte. Daß ich die Flaschen mitnehmen oder sie vielleicht ausgießen sollte. Aber Sie verstehen sicher, Mr. Ryder, daß das doch ein ziemlicher Affront gewesen wäre. Eine Beleidigung des Mutes und der Entschlossenheit, die Mr. Brodsky gezeigt hat. Und da sein Selbstbewußtsein heute abend wegen Miss Collins sowieso schon einen großen Schlag hat hinnehmen müssen...«
»Entschuldigung, Mr. Hoffman, aber was reden Sie da die ganze Zeit von Miss Collins?«
»Ach, Miss Collins. Tja, also, das ist eine andere Geschichte. Deshalb bin ich ja überhaupt zufällig dort gewesen, in Mr. Brodskys Bauernhaus. Sehen Sie, Mr. Ryder, heute abend fiel es mir zu, der Überbringer einer höchst traurigen Botschaft zu sein. Um die Aufgabe hätte mich niemand beneidet. Tatsache ist, daß ich schon eine ganze Weile ein wenig beunruhigt war, sogar noch bevor sie sich gestern im Zoo getroffen haben. Ich war beunruhigt, ich meine, wegen Miss Collins. Wer hätte denn auch ahnen können, daß sich die Dinge zwischen ihnen so schnell entwickeln, und das nach all diesen Jahren? Ja, ja, ich habe mir Sorgen gemacht. Miss Collins ist eine wunderbare Frau, vor der ich die größte Hochachtung habe. Ich könnte es nicht ertragen, mit ansehen zu müssen, wie ihr Leben jetzt auseinanderbricht. Sehen Sie, Mr. Ryder, Miss Collins ist eine ungemein kluge Frau, die ganze Stadt kann das bezeugen, doch trotz alledem – und wenn Sie hier leben würden, könnten Sie mir sicher beipflichten – ist da immer etwas sehr Verletzliches an ihr gewesen. Wir alle haben ungeheuren Respekt vor ihr, und viele haben ihren Rat als unschätzbare Hilfe empfunden, aber gleichzeitig haben wir – wie soll ich das erklären? -, haben wir uns ihr gegenüber immer als die Beschützer gefühlt. Als Mr. Brodsky im Laufe der Monate wieder... wieder mehr er selbst wurde, haben sich viele Probleme ergeben, über die ich zum Beispiel vorher noch gar nicht richtig nachgedacht hatte, und tja, wie schon gesagt, ich war allmählich etwas beunruhigt. Also können Sie sich vorstellen, wie es auf
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