Die Ungetroesteten
gern mein Blatt hier übernehmen. Ich habe für heute abend vom Spielen genug. Und es ist auch immer so schwer, die Karten bei diesem Licht zu erkennen. Meine Augen sind auch nicht mehr das, was sie einmal waren.«
»Sehr freundlich von Ihnen, aber ich muß jetzt wirklich gehen.«
Ich wollte allen noch gute Nacht sagen, aber da war Pedersen schon aufgestanden und fing an, sich seinen Weg hinaus zu bahnen. Ich hielt mich dicht hinter ihm, und während ich ging, winkte ich noch ein paarmal der Gesellschaft zu.
Pedersen war sichtlich verärgert über das, was vorgefallen war, denn als wir den Mittelgang erreichten, ging er einfach schweigend und mit gesenktem Kopf weiter. Als wir den Saal verließen, warf ich einen letzten Blick zurück auf die Leinwand und sah, daß Clint Eastwood sich darauf vorbereitete, H. A. L. auseinanderzunehmen, indem er seinen riesigen Schraubenzieher sorgfältig prüfte.
Die Nacht draußen – die Totenstille, die Kälte, der dichter werdende Nebel – bildete einen solchen Kontrast zu Wärme und Tumult in dem Kino, daß wir beide auf der Straße stehenblieben, als ob wir erst unsere Haltung wiedergewinnen müßten.
»Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll, Mr. Ryder«, sagte Pedersen. »Theo ist ein feiner Kerl, aber manchmal nach einem üppigen Abendessen...« Niedergeschlagen schüttelte er den Kopf.
»Keine Sorge. Menschen, die hart arbeiten, müssen sich auch mal entspannen. Ich habe mich heute abend sehr amüsiert.«
»Ich bin tief beschämt...«
»Aber bitte. Vergessen wir das Ganze doch. Wirklich, ich habe mich sehr amüsiert.«
Wir gingen weiter, und unsere Schritte hallten auf der einsamen Straße wider. Eine ganze Weile wahrte Pedersen besorgtes Schweigen. Dann sagte er:
»Bitte glauben Sie mir. Wir haben nie unterschätzt, wie schwierig es sein würde, solch eine neue Idee unserer Gemeinde näherzubringen. Ich meine, diese Idee mit Mr. Brodsky. Ich kann Ihnen versichern, wir sind alles mit äußerster Vorsicht angegangen.«
»Ja, davon bin ich überzeugt.«
»Zu Beginn haben wir sehr darauf geachtet, wem gegenüber wir diese Idee überhaupt erwähnten. Es war von entscheidender Bedeutung, daß während dieser Anfangsphasen nur diejenigen davon erfuhren, die aller Wahrscheinlichkeit nach der Idee gegenüber aufgeschlossen waren. Dann haben wir zugelassen, daß die Sache sich über diesen Personenkreis langsam in der Öffentlichkeit verbreitete. Auf die Weise konnten wir sicherstellen, daß der ganze Plan im denkbar günstigsten Licht erschien. Gleichzeitig haben wir noch andere Maßnahmen ergriffen. So haben wir etwa zu Ehren von Mr. Brodsky zu einer Reihe von Diners gebeten, zu denen nur sorgfältig ausgewählte Gäste aus der höheren Gesellschaft geladen wurden. Anfangs fanden diese Diners in eher kleinem Rahmen statt und waren praktisch geheim, aber allmählich konnten wir unser Netz weiter und immer weiter spannen und haben so mehr und mehr Unterstützung für unseren Plan erhalten. Auch bei allen wichtigen öffentlichen Ereignissen haben wir dafür gesorgt, daß Mr. Brodsky immer mitten unter den Würdenträgern zu sehen war. Als zum Beispiel das Pekinger Ballett zu Gast bei uns war, haben wir ihn zu Herrn und Frau Weiss in die Loge gesetzt. Auf persönlicher Ebene, sozusagen, haben wir natürlich stets größten Wert darauf gelegt, ihn nur in den höchsten Tönen zu loben. Zwei Jahre arbeiten wir jetzt schon hart daran, und im großen und ganzen sind wir sehr zufrieden. Der allgemeine Eindruck, den man von ihm hat, ist längst schon ein anderer. Und zwar so anders, daß wir es für an der Zeit hielten, diesen bedeutenden Schritt zu wagen. Deshalb war das für mich vorhin auch so entmutigend. Die Herren da drinnen, das sind diejenigen, die allen ein Beispiel geben sollten. Wenn sie schon, kaum daß sie sich einmal entspannen, zu solch einer Haltung zurückkehren, wie können wir dann von der Allgemeinheit erwarten...« Er brach ab und schüttelte wieder den Kopf. »Ich fühle mich im Stich gelassen. Um meinetwillen, aber auch um Ihretwillen, Mr. Ryder.«
Er schwieg wieder. Nachdem eine Weile keiner von uns gesprochen hatte, sagte ich seufzend:
»Die öffentliche Meinung ist nicht so leicht zu beeinflussen.«
Auch während der nächsten paar Schritte schwieg Pedersen, dann sagte er: »Sie müssen auch bedenken, wie es am Anfang war. Wenn Sie bedenken, wie es am Anfang war, dann sehen Sie sicher, daß wir tatsächlich beträchtliche Fortschritte gemacht haben.
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