Die Ungetroesteten
»Tatsächlich wäre Brodsky das Beste für sie. Ich würde es ihr empfehlen. Was immer sie sonst macht, der ganze Groll, den die Stadt gegen Christoff hegt, wird an ihr hängenbleiben. Aber wenn sie Brodskys Geliebte wird oder sogar Brodskys Frau, tja, das wäre wirklich die beste Methode, ihre Verbindung mit Christoff auszulöschen. Und es würde bedeuten, sie könnte einfach so weitermachen und in ihrer... in ihrer bisherigen Stellung bleiben.«
Inzwischen war überall um uns herum Gelächter, sogar drei Reihen weiter vorn drehten sich Leute um und ließen ihrer Heiterkeit freien Lauf. Pedersen neben mir räusperte sich.
»Bitte, meine Herren«, sagte er. »Ich bin sehr enttäuscht. Was soll denn Mr. Ryder jetzt von uns denken? Sie sehen Mr . Brodsky – Mr. Brodsky, bitte -, Sie sehen ihn immer noch so, wie er früher einmal war. Sie machen sich ja lächerlich. Mr. Brodsky ist schon längst keine Witzfigur mehr. Was auch immer zu halten ist von Herrn Schmidts Einfall Frau Christoff betreffend, Mr. Brodsky ist jedenfalls keine sehr amüsante Alternative...«
»Es ist wirklich nett von Ihnen, daß Sie gekommen sind, Mr. Ryder«, warf Theo ein. »Aber es ist zu spät. Die Dinge hier haben ein Stadium erreicht, na ja, es ist eben einfach zu spät...«
»Das ist doch Unsinn, Theo«, sagte Pedersen. »Wir befinden uns an einem Wendepunkt, einem bedeutenden Wendepunkt. Mr. Ryder ist hergekommen, um uns das zu sagen. Ist es nicht so?«
»Ja...«
»Es ist zu spät. Wir haben verloren. Warum finden wir uns nicht einfach damit ab, eine von diesen kalten einsamen Städten zu sein? Andere Städte haben das auch geschafft. Wenigstens gehen wir mit der Zeit. Die Seele dieser Stadt, Mr. Ryder, die ist nicht krank, die ist tot. Jetzt ist es zu spät. Vor zehn Jahren vielleicht. Da hätten wir noch eine Chance gehabt. Aber jetzt nicht mehr. Herr Pedersen« – der Betrunkene deutete kraftlos auf meinen Begleiter – »ja, Sie. Sie sind es gewesen. Sie und Herr Thomas. Und Herr Stika. All ihr feinen Herren. Ihr habt gegen Pflicht und Gewissen gehandelt...«
»Fang doch nicht schon wieder damit an, Theo«, unterbrach der Mann mit den Sommersprossen. »Herr Pedersen hat recht. Für diese Art Resignation ist es einfach noch zu früh. Wir haben Brodsky – Mr . Brodsky – gefunden, und wer weiß, vielleicht ist er ja...«
»Brodsky, Brodsky. Es ist zu spät. Wir sind erledigt. Laßt uns doch einfach eine kalte moderne Stadt sein und uns damit zufriedengeben.«
Ich spürte Pedersens Hand auf meinem Arm. »Es tut mir so leid, Mr. Ryder...«
»Sie haben gegen Pflicht und Gewissen gehandelt! Siebzehn Jahre lang. Siebzehn Jahre lang durfte Christoff ungestraft tun, was er wollte. Und was bieten Sie uns jetzt? Brodsky! Es ist einfach zu spät, Mr. Ryder.«
»Es tut mir wirklich leid«, sagte Pedersen zu mir, »daß Sie sich das alles haben anhören müssen.«
Jemand hinter uns sagte: »Du bist betrunken und deprimiert, Theo. Morgen wirst du Mr. Ryder aufsuchen und dich bei ihm entschuldigen müssen.«
»Ach«, sagte ich, »mich interessieren alle Standpunkte in dieser Debatte...«
»Aber das ist gar kein Standpunkt!« widersprach Pedersen. »Glauben Sie mir, Mr. Ryder, Theos Gefühle sind in keinster Weise typisch für die augenblickliche Stimmung der Leute. Überall, auf der Straße, in der Straßenbahn, spüre ich einen starken, einen ganz starken Optimismus.«
Das löste allgemeine Zustimmung aus.
»Glauben Sie das nur nicht, Mr. Ryder«, sagte Theo und packte mich am Ärmel. »Das ist doch alles nur vergebliche Liebesmüh. Machen wir doch schnell einmal eine kleine Umfrage hier im Kino. Die Leute sollen uns sagen...«
»Also, Mr. Ryder«, sagte Pedersen schnell, »ich werde jetzt nach Hause gehen, es ist schon reichlich spät. Der Film ist wunderbar, aber ich habe ihn schon etliche Male gesehen. Und Sie müssen doch allmählich auch recht müde sein.«
»Ja, tatsächlich bin ich sehr müde. Ich glaube, ich schließe mich Ihnen an, wenn ich darf.« Dann drehte ich mich um und sagte zu den anderen: »Entschuldigen Sie mich, meine Herren, aber ich glaube, ich gehe jetzt lieber ins Hotel zurück.«
»Aber Mr. Ryder«, sagte der Mann mit den Sommersprossen, und in seiner Stimme schwang Sorge mit, »bitte gehen Sie doch nicht gerade jetzt. Sie müssen wenigstens so lange bleiben, bis der Astronaut H.A.L. auseinandernimmt.«
»Ach, Mr. Ryder«, hörte ich eine Stimme weiter hinten in der Reihe, »vielleicht möchten Sie
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