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Die Ungetroesteten

Titel: Die Ungetroesteten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kazuo Ishiguro
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übrigens, Gustav läßt ausrichten, daß Boris sich sehr über sein Zimmer gefreut hat und sofort eingeschlafen ist.«
    »Ah ja, schön.«
    Ich wünschte ihm eine gute Nacht und ging schnell zu den Aufzügen hinüber.
    Ich kam in mein Zimmer und fühlte mich nach dem langen Tag ganz schmutzig, und so zog ich mir den Bademantel an und machte mich für die Dusche fertig. Aber während ich mir dann das Badezimmer ansah, überkam mich eine solche Welle von Müdigkeit, daß ich praktisch nur noch zu meinem Bett zurückstolpern und mich darauf fallen lassen konnte, und sofort sank ich in einen tiefen Schlaf.

ZEHN
    Ich hatte noch nicht lange geschlafen, als neben meinem Ohr das Telefon klingelte. Ich ließ es eine Weile klingeln, dann richtete ich mich schließlich im Bett auf und nahm den Hörer ab.
    »Ah, Mr. Ryder. Ich bin es. Hoffman.«
    Ich wartete auf eine Erklärung, weshalb er mich störte, doch der Hoteldirektor sagte weiter nichts. Es entstand ein peinliches Schweigen, und dann sagte er wieder:
    »Ich bin es. Hoffman.« Dann eine weitere Pause, schließlich sagte er: »Ich bin hier unten in der Halle.«
    »Ah ja.«
    »Tut mir leid, Mr. Ryder, vielleicht störe ich gerade bei irgend etwas.«
    »Also, eigentlich habe ich gerade versucht, ein wenig zu schlafen.«
    Diese Bemerkung schien Hoffman in Erstaunen zu versetzen, denn es folgte ein weiteres Schweigen. Ich lachte kurz auf und fuhr fort:
    »Ich wollte sagen, ich hatte mich gerade ein wenig hingelegt. Natürlich werde ich kaum richtig zum Schlafen kommen, bevor... bevor nicht alles erledigt ist, was heute erledigt werden muß.«
    »Ja, ja, sicher.« Hoffman klang erleichtert. »Nur eine kleine Atempause sozusagen. Durchaus verständlich. Na, jedenfalls bin ich hier unten in der Halle und warte auf Sie.«
    Ich legte den Hörer auf, saß auf dem Bett und wußte nicht genau, was ich jetzt tun sollte. Ich war noch genauso erschöpft wie vorher – ich konnte kaum mehr als ein paar Minuten geschlafen haben -, und die Versuchung war groß, die ganze Sache zu vergessen und mich einfach wieder hinzulegen. Aber schließlich sah ich ein, daß das unmöglich ginge, und so stand ich auf.
    Ich merkte, daß ich in meinem Bademantel eingeschlafen war, und ich wollte ihn gerade ausziehen und mich ankleiden, als mir plötzlich der Gedanke durch den Kopf ging, ich könne ja auch im Bademantel hinuntergehen und mit Hoffman reden. Denn um diese Zeit in der Nacht war es recht unwahrscheinlich, daß ich außer Hoffman und dem Angestellten an der Rezeption jemandem begegnen würde, und mein Erscheinen in solch einem Aufzug würde dezent, aber unverkennbar die späte Stunde unterstreichen und auch die Tatsache, daß er mich vom Schlafen abhielt. Ich trat auf den Korridor hinaus, und mehr als nur ein bißchen verärgert machte ich mich auf den Weg zum Aufzug.
    Am Anfang zumindest schien der Bademantel die gewünschte Wirkung zu erzielen, denn als ich die Halle betrat, waren Hoffmans erste Worte: »Tut mir leid, Sie zu stören, wo Sie sich gerade ausruhen wollten, Mr. Ryder. Es muß sehr anstrengend für Sie sein, diese ständige Herumreiserei.«
    Ich unternahm nicht den Versuch, meine Müdigkeit zu verbergen. Ich fuhr mir mit der Hand durchs Haar und sagte: »Das ist schon in Ordnung, Mr. Hoffman. Aber ich hoffe, es wird nicht zu lange dauern. Tatsächlich bin ich inzwischen sehr müde.«
    »Ach, das dauert nicht lange, wirklich nicht.«
    »Schön.«
    Ich sah, daß Hoffman einen Regenmantel trug und darunter einen Smoking, komplett mit Kummerbund und Fliege.
    »Sie haben die schlimmen Neuigkeiten natürlich gehört«, sagte er.
    »Die schlimmen Neuigkeiten?«
    »Es sind schlimme Neuigkeiten, aber ich darf wohl sagen, ich bin zuversichtlich, sehr zuversichtlich, daß sich keine ernsthaften Konsequenzen ergeben werden. Und bevor der Abend um ist, glaube ich ganz bestimmt, daß auch Sie davon überzeugt sein werden, Mr. Ryder.«
    »Das werde ich sicher«, antwortete ich und nickte ermutigend. Nach einer Weile beschloß ich dann, daß die Situation hoffnungslos war, und fragte rundheraus: »Tut mir leid, Mr. Hoffman, aber welche schlimmen Neuigkeiten meinen Sie denn? Es hat so viele schlimme Neuigkeiten in letzter Zeit gegeben.«
    Bestürzt sah er mich an. »So viele schlimme Neuigkeiten?«
    Ich lachte auf. »Ich meine, die Kampfhandlungen in Afrika und so weiter. Überall nur schlimme Neuigkeiten.« Ich lachte noch einmal auf.
    »Ach so. Ich meine natürlich die schlimmen Neuigkeiten

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