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Die Ungetroesteten

Titel: Die Ungetroesteten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kazuo Ishiguro
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ursprünglich gedacht war. Tja, und nun sehe ich ganz deutlich, daß ich vor vier Jahren einige entscheidende Irrtümer begangen habe. Es ist so schwierig, selbst für jemanden mit meiner Erfahrung. Nein, ich bin absolut nicht zufrieden. Es ist keine glückliche Verbindung. Deshalb möchte ich Ihnen vorschlagen, daß wir Sie statt dessen in der 343 unterbringen, die Ihnen vom Temperament her sicher viel näher ist. Da werden Sie mehr Ruhe finden und auch besser schlafen können. Und das Zimmer, das Sie jetzt haben – na ja, ich habe den ganzen Tag schon immer wieder mal daran gedacht. Ich hätte nicht übel Lust, das Zimmer, so wie es jetzt ist, wieder völlig auseinanderzunehmen.«
    »Aber Mr. Hoffman, ich bitte Sie!«
    Ich hatte das fast geschrien, und Hoffman wandte den Blick von der Straße ab, um mich überrascht anzusehen. Ich lachte, fing mich sehr schnell wieder und sagte:
    »Ich wollte sagen, Sie sollten meinetwegen nicht so viele Kosten und Mühen auf sich nehmen.«
    »Es geht dabei ausschließlich um meinen Seelenfrieden, seien Sie dessen versichert, Mr. Ryder. Mein Hotel ist mein Lebenswerk. Ich habe einen schwerwiegenden Fehler gemacht, was dieses Zimmer angeht. Ich sehe keine andere Möglichkeit, als es vollständig auseinanderzunehmen.«
    »Mr. Hoffman, dieses Zimmer... Tatsache ist, ich fühle mich diesem Zimmer sehr verbunden. Ich bin wirklich sehr zufrieden dort.«
    »Ich verstehe nicht.« Er schien wirklich höchst verblüfft. »Das Zimmer ist für Sie ganz eindeutig nicht das richtige. Nun, da ich Sie kennengelernt habe, kann ich das mit einiger Bestimmtheit behaupten. Sie müssen das nicht aus Höflichkeit sagen. Es überrascht mich, daß Sie sich diesem Zimmer so merkwürdig nahe fühlen.«
    Ich lachte kurz und vielleicht unnötig laut auf. »Das nun wieder nicht. Merkwürdig nahe?« Wieder lachte ich auf. »Es ist ja nur ein Zimmer, weiter nichts. Wenn es auseinandergenommen werden muß, dann muß es das eben! Ich ziehe gerne in ein anderes Zimmer um.«
    »Aha. Ich freue mich, daß Sie es so sehen. Ich wäre wirklich äußerst betrübt gewesen, Mr. Ryder, und das nicht nur während der verbleibenden Zeit Ihres Aufenthaltes hier, sondern noch auf Jahre hinaus, wenn ich denken müßte, daß Sie einmal in meinem Hotel gewohnt haben und genötigt waren, ein derart ungeeignetes Zimmer zu ertragen. Ich weiß wirklich nicht, was vor vier Jahren in meinem Kopf vor sich gegangen ist. Eine völlige Fehleinschätzung!«
    Wir waren eine ganze Weile durch die Dunkelheit gerast, ohne anderen Scheinwerfern zu begegnen. In weiter Ferne waren wohl einige Gehöfte zu sehen, doch ansonsten war da kaum etwas, das die schwarze Leere zu beiden Seiten durchbrochen hätte. Eine Zeitlang fuhren wir schweigend weiter. Dann sagte Hoffman:
    »Das ist wirklich besonderes Pech, Mr. Ryder. Der Hund, na ja, er war ja nicht mehr jung, aber er hätte noch gut und gern zwei oder drei Jahre leben können. Und die Vorbereitungen liefen so gut.« Er schüttelte den Kopf. »Solch ein ungünstiger Zeitpunkt.« Dann drehte er sich lächelnd zu mir um und fuhr fort: »Aber ich bin zuversichtlich. Ja, wirklich zuversichtlich. Jetzt wird er wenigstens nicht mehr abgelenkt, nicht einmal durch so etwas.«
    »Vielleicht sollte man Mr. Brodsky einen anderen Hund geben, als Geschenk sozusagen. Vielleicht einen kleinen Welpen.«
    Ich hatte das gesagt, ohne groß darüber nachzudenken, doch Hoffman gab sich den Anschein, die Sache gebührend in Erwägung zu ziehen.
    »Ich weiß nicht so recht, Mr. Ryder. Sie müssen wissen, er hat außerordentlich an Bruno gehangen. Er ist kaum unter Menschen gegangen. Er wird wohl regelrecht trauern. Aber Sie könnten recht haben, wir müssen jetzt, da Bruno nicht mehr ist, seine Einsamkeit lindern. Vielleicht ein anderes Tier. Irgend etwas Beruhigendes. Ein Vogel in einem Käfig etwa. Dann später, wenn er soweit ist, könnte man es mit einem anderen Hund versuchen. Ich weiß nicht so recht.«
    Die nächsten paar Minuten schwieg er, und ich dachte, seine Gedanken wären jetzt bei etwas anderem. Doch dann, während er auf die dunkle Straße starrte, die sich vor uns auftat, murmelte er plötzlich leise, aber bestimmt vor sich hin:
    »Hornochse! Jawohl, Hornochse, Hornochse, Hornochse!«
    Doch inzwischen war ich die ganze Sache mit Brodskys Hund leid, und ohne etwas zu erwidern, lehnte ich mich in meinen Sitz zurück, fest entschlossen, mich auszuruhen, solange die Fahrt noch dauerte. In dem Versuch, etwas in

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