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Die Ungetroesteten

Titel: Die Ungetroesteten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kazuo Ishiguro
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was dann nachher kam. Ja, offensichtlich – und das ist die wirklich gute Neuigkeit, die ich Ihnen sofort hätte mitteilen sollen -, wie Sie ja gesehen haben, war Miss Collins gestern abend auch da. Na ja, einmal, als sie gerade gehen wollte, haben sie und Mr. Brodsky sich offensichtlich angelächelt. Ja, wirklich! Viele haben es gesehen. Auch Vater hat es mit eigenen Augen gesehen. Er hatte keinerlei Versuch unternommen, eine direkte Begegnung zwischen den beiden herbeizuführen, er hat sehr darauf geachtet, daß die Dinge nicht zu schnell vorangetrieben wurden, vor allem, weil Miss Collins ja noch über die Sache mit dem Zoo und so weiter nachdachte. Aber es passierte gerade, als sie gehen wollte. Offensichtlich hat Mr. Brodsky gemerkt, daß sie gehen wollte, und ist aufgestanden. Er hatte den ganzen Abend nur an seinem Tisch gesessen, obwohl zu dem Zeitpunkt die Leute zwanglos herumgingen, so wie sie das immer tun. Jetzt also Mr. Brodsky, er ist aufgestanden und schaute durch den ganzen Raum zu der Tür, wo Miss Collins einigen Leuten gute Nacht sagte. Einer der Herren, ich glaube, es war Herr Weber, wollte sie gerade hinausbegleiten, aber irgendein Instinkt muß es ihr gesagt haben. Jedenfalls, sie drehte sich zum Raum zurück, und natürlich sah sie, daß Mr. Brodsky dastand und sie anschaute. Vater hat es bemerkt, einige andere auch, und im Raum wurde es merklich ruhiger, und Vater sagt, einen schrecklichen Augenblick lang habe er geglaubt, sie würde ihm einen kalten, verbitterten Blick zuwerfen, ihr Gesicht sah schon so aus, als wollte sie es gerade tun. Aber dann – im letzten Moment – lächelte sie. Ja, sie hat Mr. Brodsky angelächelt! Dann ging sie hinaus. Mr. Brodsky, na ja, Sie können sich denken, was ihm das bedeutet haben wird. Stellen Sie sich das doch nur vor, nach all den Jahren! Von Vater habe ich gehört, ich komme übrigens gerade von ihm, daß Mr. Brodsky heute vormittag mit ganz frischer Energie an die Arbeit gegangen ist. Seit einer Stunde sitzt er jetzt schon am Flügel! Nur gut, daß ich vor ungefähr zwei Stunden aufgehört habe. Vater sagt, heute vormittag ist er irgendwie vollkommen verändert, und natürlich kein Gedanke mehr daran, daß er etwas Alkoholisches braucht. Das Ganze war für Vater, wie auch für alle anderen, ein solcher Triumph, aber ich bin sicher, Ihre Rede hat enorm viel dazu beigetragen. Wir warten noch auf Nachricht von Miss Collins, ich meine, ob sie in den Zoo mitgeht, aber nach dem, was letzte Nacht passiert ist, können wir gar nicht anders, als das optimistisch zu sehen. Was für ein Morgen es noch geworden ist! Tja, also dann, Mr. Ryder, ich will Sie nicht länger aufhalten, Sie werden sicher zu Ende frühstücken wollen. Ich möchte mich nur noch einmal bei Ihnen für alles bedanken. Bestimmt sehen wir uns noch im Laufe des Tages, und dann berichte ich Ihnen, wie es mit dem Kazan vorangeht.«
    Ich wünschte ihm viel Glück und sah ihm nach, wie er zielstrebig hinausging.
    Die Begegnung mit dem jungen Mann hatte dazu geführt, daß ich noch zufriedener war als vorher. Während der nächsten Minuten frühstückte ich in dem gleichen geruhsamen Tempo weiter und genoß ganz besonders den frischen Geschmack der hiesigen Butter. Einmal kam der Kellner, um noch ein Kännchen Kaffee zu bringen, und ging dann wieder. Nach einer Weile mußte ich dann feststellen, daß ich aus irgendeinem Grund versuchte, mich an die Antwort auf eine Frage zu erinnern, die mir einmal im Flugzeug ein Mann neben mir gestellt hatte. Insgesamt dreimal habe es bei den Endspielen der Weltmeisterschaft gemeinsam spielende Brüder gegeben, hatte er gesagt. Ob ich die wohl kennen würde? Ich hatte mich irgendwie herausgeredet und mich wieder auf mein Buch konzentriert, weil ich mich nicht in ein Gespräch verwickeln lassen wollte. Aber seitdem ergab es sich bei Gelegenheiten wie dieser, wenn ich einmal ein paar seltene Minuten ganz für mich hatte, immer wieder, daß ich an die Frage dieses Mannes dachte. Das Ärgerliche daran war, daß es mir im Laufe der Jahre wiederholt gelungen war, mich an alle drei Brüderpaare zu erinnern, doch dann wieder hatte ich feststellen müssen, daß mir der Name des einen oder anderen Paares einfach nicht einfallen wollte. Genauso erging es mir an diesem Morgen. Ich wußte noch, daß die Charlton-Brüder im Endspiel von 1966 für England gespielt hatten und die Brüder van der Kerkhof 1978 für Holland. Doch sosehr ich mich auch bemühte, auf den Namen des

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