Die unglaublichen Abenteuer des Barnaby Brocket (German Edition)
Ärger von Captain W. E. Johns, der sein Territorium so streng bewachte, als wäre er ein römischer Zenturio. Die Familie hatte sich wie immer in der Küche versammelt. Sie waren gerade dabei, das Frühstück zu beenden, die Kinder lebhaft und lustig, die Eltern ungewöhnlich still.
»Barnaby hat seine Uniform nicht an«, stellte Melanie mit einem Blick zur Decke fest. »Geht er nicht in die Schule?«
»Nein, heute nicht«, antwortete Eleanor.
»Aber die Reporter sind alle weg. Sein Gehirn verkümmert doch, wenn er noch länger zu Hause herumsitzt.«
»Darüber entscheiden wir, junge Dame«, sagte Alistair. »Nicht du.«
»Und wir haben eine Entscheidung gefällt«, fügte Eleanor hinzu und fixierte ihren Mann mit strengem Blick, weil sie absolut sicher sein wollte, dass heute Morgen keiner das große Nervenflattern bekam. »Stimmt’s?«
»Jawohl, es stimmt«, antwortete Alistair. »Und ich kann mit Überzeugung sagen, dass es die beste Entscheidung ist, die ich je in meinem Leben getroffen habe.«
»Das finde ich ein bisschen übertrieben«, sagte Melanie und musterte ihren Vater erstaunt. »Ihr behaltet Barnaby doch nur einen Tag länger zu Hause.«
»Alle in meiner Klasse finden Barnaby genial«, bemerkte Henry und nahm sich noch eine Scheibe Toast, die siebte des Morgens. Und er überlegte sich schon, ob er noch eine achte schaffen konnte, bevor er vom Tisch aufstand. »Sie wollen immer wissen, ob ich auch schweben kann.«
»Siehst du?«, sagte Eleanor triumphierend. Sie war stolz darauf, dass eine ihrer Vorhersagen sich bewahrheitet hatte, auch wenn dies für ihren ältesten Sohn nicht so angenehm war. »Mobben sie dich?«
»Nein, natürlich nicht«, erwiderte Henry. »Ich meine – schau mich doch an.« Er hatte nicht ganz unrecht. Henry war jetzt fünfzehn und machte sehr viel Sport. Es war kaum anzunehmen, dass einer seiner Klassenkameraden auf den Gedanken kommen könnte, ihn zu hänseln. Selbst die Orangenmarmelade kam nicht gegen seine kräftigen Muskeln an. »Und außerdem, was interessiert es mich, ob sie denken, dass ich schwebe wie Barnaby? Es ist doch völlig egal, was andere Leute denken.«
»Nein, das ist nicht egal – im Gegenteil«, widersprach ihm Alistair und stellte mit einem genervten Seufzer seine Kaffeetasse weg, hob Eine Geschichte aus zwei Städten auf, weil Barnaby das Buch hinuntergefallen war, und reichte es wieder seinem Sohn. »Also du würdest doch nicht wollen, dass die Leute überall herumerzählen, du bist ein – ich weiß auch nicht … ein Stück Schweizerkäse! Oder eine verzierte Teekanne. Vor allem, wenn es nicht stimmt.«
Melanie kicherte. Die Vorstellung, ihr älterer Bruder könnte ein Stück Schweizerkäse oder eine verzierte Teekanne sein, fand sie sehr witzig. Sogar Captain W. E. Johns bellte belustigt, rollte sich auf den Rücken und strampelte triumphierend mit den Beinen.
»Die Leute können über mich sagen, was sie wollen«, sagte Henry, ohne den beiden Beachtung zu schenken. »Wörter tun mir nicht weh, so viel steht fest.«
»Was willst du damit sagen?« Alistair beugte sich vor und starrte seinen ältesten Sohn an, als würde er ihn nicht kennen. »Willst du tatsächlich behaupten, es ist dir in keiner Weise peinlich, dass alle deine Freunde diese furchtbare Sache über deinen Bruder wissen? Willst du das sagen?«
Henry überlegte kurz. Dann nickte er. »Ja, genau das will ich sagen.«
»Selbst wenn die meisten von ihnen denken, dass du selbst auch jemand bist, der schwebt, und es nur unterdrückst?«
»Vielleicht bin ich das ja«, sagte Henry mit einem Achselzucken. »Ich habe noch nie richtig Lust gehabt zu schweben, aber wer weiß, vielleicht überkommt es mich eines Tages, unter den richtigen Umständen –«
»Henry, willst du mich absichtlich ärgern?«, fragte Eleanor und stellte genervt ihren Kaffee weg.
»Nein, ich sage nur die Wahrheit«, entgegnete Henry. »Mir macht es nichts aus, dass Barnaby schwebt. Es hat mir noch nie etwas ausgemacht. Ich wünsche ihm viel Glück.«
»Mir geht es genauso«, verkündete Melanie und betrachtete ihren großen Bruder voller Stolz. Henry konnte manchmal extrem lästig sein, aber, jetzt mal ehrlich, der Junge hatte ein Herz aus Gold und keine Hemmungen, es zu zeigen.
»Ich glaube, ich gehe jetzt besser zur Arbeit.« Alistair erhob sich und musterte seine Kinder ungläubig. »Manchmal frage ich mich, wo ich versagt habe, wisst ihr das? Wo wir beide versagt haben, Eleanor.« Er beugte sich vor,
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