Die unglaublichen Abenteuer des Barnaby Brocket (German Edition)
nächsten Tag eure Gesichter in der Zeitung erscheinen. Hier hat Australien angefangen. Genau an dieser Stelle. Hier kommen wir alle her.« Sie schaute hinaus aufs Meer und atmete tief durch, als könnten die wehenden Düfte des fernen Pazifiks Erinnerungen an vergangene Leben und Zeiten enthalten. »Vor zweihundert Jahren wohnte Lachlan Macquarie, der Gouverneur von New South Wales, ganz in der Nähe«, erklärte sie. »Seine Frau Elizabeth kam jeden Morgen hierher und schaute zu, wie die Schiffe aus England hier ankamen. Tag für Tag. Sie saß exakt da auf dem Felsen, wo du jetzt sitzt, der Fels war sozusagen ihr Sessel. Deshalb hat man die Stelle nach ihr benannt: Mrs Macquarie’s Chair.«
Barnaby stand auf und schaute hinter sich, weil er befürchtete, er hätte vielleicht einem Geist den Sitzplatz weggenommen.
»Früher hat man die Kriminellen von England hierher geschickt«, fuhr Eleanor fort. »Aber das weißt du alles, oder?«
»Ja, klar«, antwortete Barnaby, denn das hatte er immerhin schon im Geschichtsunterricht gelernt.
»Und auf diesen Schiffen befanden sich nicht nur Männer und Frauen. Es waren auch Kinder dabei. Manche waren noch klein. So alt wie du vielleicht. Sie sind nach der langen Reise über den Ozean hierher gekommen, um in Australien ein neues Leben zu beginnen. Sie hatten nicht die geringste Ahnung, was sie erwartete, aber sie machten das Beste daraus, und es hat geklappt.«
Barnaby versuchte sich vorzustellen, wie es für einen achtjährigen Jungen wie ihn gewesen sein mochte, eines Morgens auf einem Schiff aufzuwachen und den Hafen von Sydney auftauchen zu sehen, ohne zu wissen, was für ein Leben er auf diesem neuen Kontinent führen würde.
»Am Anfang fanden sie es zwar beängstigend«, sagte Eleanor und kam jetzt näher zu Barnaby, »aber mit der Zeit haben sie gemerkt, dass alles, was geschehen war, einen guten Grund gehabt hatte. Weißt du – es ist möglich, in eine unbekannte Welt aufzubrechen und dort das Glück zu finden. Vielleicht findet man sogar mehr Glück als je zuvor.«
Barnaby blickte hinaus aufs Meer und sagte nichts. Sein Magen knurrte, und er wollte gerade Eleanor fragen, ob sie sich nicht beim Eiswagen an der Ecke ein Eis kaufen könnten, da hörte er plötzlich ein seltsames Geräusch. Es klang, als würde etwas zerreißen, ratsch , gefolgt von einem lauten Sssss , als wäre da eine Schlange, die zum Angriff überging.
Das Ratsch kam von Eleanors Schere, die unten seinen Rucksack aufschlitzte.
Das Sssss kam von dem Sand, der langsam herausrieselte und auf dem Boden eine Pyramide bildete.
Verwirrt schaute Barnaby erst nach unten auf die Sandpyramide, dann zu seiner Mutter, die den Kopf schüttelte und ihm nicht in die Augen sehen konnte.
»Tut mir leid, Barnaby«, murmelte sie. »Aber es ist besser so. Da draußen wartet eine wunderbare Welt auf dich. Du kannst es machen wie diese frühen Siedler. Und irgendwo wirst du das Glück finden, da bin ich mir sicher.«
Barnaby schnappte erschrocken nach Luft, während der Sand immer weiter rieselte – er war so etwas wie eine menschliche Eieruhr. Captain W. E. Johns kam angelaufen und schnüffelte kurz an dem Sand, dann schaute er voller Panik zu seinem Herrchen, dessen Füße sich jetzt schon ein bisschen vom Boden hoben.
»Mum!«, rief Barnaby erschrocken. »Mum! Hilfe! Ich fliege weg! Captain W. E. Johns, hilf mir!«
»Tut mir leid, Barnaby«, sagte Eleanor noch einmal, aber jetzt mit belegter Stimme. »Ganz ehrlich.«
Captain W. E. Johns bellte und fing an, im Kreis zu rennen, dann hüpfte er hoch in die Luft, während Barnaby immer weiter nach oben schwebte. Der Hund schnappte nach seinen Füßen, aber es war zu spät – der Rucksack war fast leer, und Barnaby flog immer höher hinauf in den Himmel.
Das schreckliche EREIGNIS
»Mum!«, rief er ein letztes Mal, als er die Gipfel der Bäume erreichte. »Hilf mir! Ich entschuldige mich für alles! Ich werde versuchen, nie mehr zu schweben!«
»Es ist zu spät, Barnaby!«, rief Eleanor und winkte ihm zum Abschied zu. »Pass gut auf dich auf!«
Und eine Minute später war er schon so hoch oben, dass man seine Stimme unten nicht mehr hören konnte. Seine Mutter, sein Hund und die schöne Stadt Sydney versanken unter ihm, und weil keine Matratze da war, um ihn zu bremsen, stieg Barnaby Brocket einfach immer höher, ohne auch nur die geringste Ahnung zu haben, was als Nächstes geschehen würde.
Kapitel 7
Annäherung aus Nordwest
Barnaby schloss die
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