Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die unglaublichen Abenteuer des Barnaby Brocket (German Edition)

Die unglaublichen Abenteuer des Barnaby Brocket (German Edition)

Titel: Die unglaublichen Abenteuer des Barnaby Brocket (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
Vom Netzwerk:
küsste seine Frau auf die Wange und schaute ihr tief in die Augen. »Du willst wirklich nicht, dass ich dich heute begleite?«, fragte er leise.
    »Ich glaube, es ist leichter, wenn ich allein bin«, antwortete sie und starrte auf den Kaffeesatz in ihrer Tasse.
    »Also gut.«
    »Was ist leichter, wenn du allein bist?«, wollte Melanie wissen.
    »Nichts«, erwiderte Alistair und nahm seine Aktentasche. »Wir sehen uns alle heute Abend.« Er blickte nach oben zu Barnaby und zögerte einen Moment, weil er dem Jungen nicht in die Augen sehen konnte. »Du schaffst das schon«, murmelte er, wandte sich ab und ging zur Arbeit – mit gesenktem Kopf, als wüsste ein Teil von ihm ganz genau, dass er eine schändliche und grausame Tat begangen hatte.
    »Ich könnte heute wieder in die Schule gehen, glaube ich«, sagte Barnaby, als Henry und Melanie sich ein paar Minuten später ebenfalls verabschiedet hatten und Captain W. E. Johns im Garten ein Eichhörnchen jagte, das die Dreistigkeit besessen hatte, dort eine kleine Verschnaufpause machen zu wollen. (Sein Ziel war es, diesem Eichhörnchen Manieren beizubringen.) »Ich möchte nicht den ganzen Tag hier an der Decke verbringen.«
    »Ich dachte, wir machen einen Spaziergang«, erwiderte Eleanor. »Schließlich ist ausgesprochen schönes Wetter, und wir haben beide seit über einer Woche das Haus nicht verlassen. Was meinst du – gefällt dir die Idee?«
    »Aber du legst mich nicht an die Leine, oder?«, wollte Barnaby wissen.
    »Das kannst du dir aussuchen«, sagte Eleanor. »Die Leine oder die Sandsäcke.«
    Barnaby überlegte. »Ich nehme die Sandsäcke.«
    Der Himmel war strahlend blau, als Eleanor, Barnaby und Captain W. E. Johns aus dem Haus gingen. Der Hund schnüffelte unterwegs an jedem Busch und an jeder Hecke, falls irgendwelche fremden Köter im Lauf der Nacht dort vorbeigekommen waren und als bewusste Provokation ihre Duftnote hinterlassen hatten. Sie gingen südwärts zu den Apartmenthäusern, die über den Hafen blickten, dann weiter in Richtung Brücke. Barnaby schaute zu den beiden Flaggen am nördlichsten Punkt der Brücke – die Flagge der Australier und die Flagge der Aborigines. Er konnte es kaum glauben, dass er vor einer guten Woche direkt unter diesen Fahnen gestanden hatte. Er sah eine Reihe von winzigen Gestalten, die in ihren blauen und grauen Overalls nach oben kletterten, und hätte gern gewusst, ob Daz die Gruppe anführte.
    »Wir gehen nicht wieder auf die Brücke, oder?«, fragte er, und Eleanor schüttelte den Kopf.
    »Du meine Güte – nein!«, sagte sie. »Ich glaube, wir hatten schon genug Ärger mit dieser Brücke, findest du nicht? Sie ist eine Bedrohung. Man sollte sie abreißen.«
    »Aber wie kommen die Leute dann von einer Seite Sydneys zur anderen?«
    »Sie haben es hundert Jahre lang geschafft, ehe die Brücke gebaut wurde«, sagte Eleanor. »Bestimmt würde man eine Lösung finden.«
    Barnaby wurde schon müde, weil es ja neun Tage her war, dass er seinen Rucksack mit den Sandsäcken das letzte Mal getragen hatte, und die Träger drückten schwer auf seine Schultern. Auch die Ohren taten ihm wieder weh, wie immer, wenn er gezwungen wurde, auf dem Boden zu bleiben.
    »Aber wenn wir nicht auf die Brücke hochklettern, wohin gehen wir dann?«, fragte er, als sie die Stufen auf der linken Seite hinaufgingen, die zu dem langen Fußgängerweg führte, der sich über das Wasser erstreckte.
    »Wir brauchen beide einfach ein bisschen Bewegung, sonst nichts«, antwortete Eleanor. »Wir gehen um die Oper herum und dann in den Botanischen Garten. Da war ich seit Jahren nicht mehr, ob du’s glaubst oder nicht. Dein Vater ist früher dauernd mit mir dorthin gegangen, als wir jung waren und nicht solche Probleme wie heute hatten.«
    Barnaby, der wusste, dass er auf der Problemliste ganz oben stand, sagte nichts dazu, sondern schaute stumm zum Hafen. Wenn er doch eine Wasserflasche mitgenommen hätte, gegen den Durst. Als sie fast schon auf der anderen Seite waren, blieb Eleanor stehen und kniete nieder, um sich die Schnürsenkel zu binden. Barnaby schaute nach links, hinunter auf die Sonnenschirme bei den Tischen auf der Dachterrasse des Glenmore Hotels. Er malte sich aus, wie es wäre, mit seiner Familie dort beim Mittagessen zu sitzen, ohne an der Unterseite des Schirms zu schweben. Aber als Eleanor sich wieder aufrichtete, hörte er ein schepperndes Geräusch, weil etwas Schweres aus ihrer Tasche gefallen und auf dem Eisensteg gelandet war.

Weitere Kostenlose Bücher