Die unglaublichen Abenteuer des Barnaby Brocket (German Edition)
Augen, weil er nicht mehr sehen wollte, wie alles unter ihm verschwand. Er litt zwar nicht an Höhenangst wie Stephen Hebden, aber trotzdem bekam er immer mehr Angst, je höher er stieg.
Als er sich schließlich traute, die Augen wieder zu öffnen, hatte sich in seiner Nähe ein Schwarm Rosakakadus versammelt. Die Vögel flogen um ihn herum und beäugten ihn verärgert, weil es ihnen nicht passte, dass ein achtjähriger Junge es wagte, in ihren Luftraum einzudringen. Sie hackten ein bisschen nach ihm, strichen ihm mit den Flügeln übers Gesicht, aber nach einer Weile flogen sie weiter und ließen Barnaby unbehelligt immer höher in den Himmel steigen. Er blickte nach rechts, und zu seiner Freude sah er in der Ferne etwas, das sich ihm näherte. War es vielleicht ein anderes Lebewesen? Das Etwas flog ein wenig höher als er, bewegte sich aber eindeutig auf ihn zu. Bald merkte er, dass es kein Lebewesen war, sondern ein Korb mit einem großen Ballon. Eine Riesenflamme hielt das Ganze in der Luft.
AUFWÄRTS mit dem Wind
»Hilfe!«, schrie Barnaby und fuchtelte mit den Armen, wodurch sein Aufstieg noch beschleunigt wurde. »Ich bin hier drüben!«
Der Heißluftballon näherte sich ihm aus Nordwest, und es dauerte nicht lange, bis klar wurde, dass Barnaby sich genau unterhalb des Korbes befinden würde, wenn dieser ihn erreichte – falls es ihm gelang, alles zeitlich richtig zu planen. Er ruderte mit den Armen und kickte mit den Beinen, wie ein Tiefseetaucher, der im Ozean wieder an die Oberfläche strebt. Dann drosselte er sein Tempo ein wenig, den Blick immer fest auf den Ballon gerichtet.
Ein paar Minuten später war der Korb direkt über ihm. Barnaby wedelte noch einmal kräftig mit den Armen, um noch ein kleines Stückchen höher zu kommen, und schon donnerte er mit dem Kopf gegen die Unterseite des Korbes.
»Au«, sagte Barnaby Brocket.
»Wer ist da unten?«, rief eine Stimme aus dem Korb – die Stimme einer Frau, die schon ein gewisses Alter erreicht hatte.
»Bitte, helfen Sie mir!«, rief Barnaby. »Können Sie mich in den Korb ziehen?«
»Gütiger Himmel«, sagte eine andere Stimme – ebenfalls eine Frau, die schon ein gewisses Alter erreicht hatte. »Da unten ist ein kleiner Junge! Ethel, reich mir doch bitte das Fischnetz.«
Eine Silberstange mit einem Netz am Ende tauchte aus dem Ballon auf und fing Barnaby ein, beförderte ihn durch die Luft und setzte ihn dann in dem Korb ab. Und schon begann Barnaby, in Richtung Flamme zu schweben.
»Bitte!«, flehte er. »Binden Sie mich an der Seite des Korbs fest. Sonst verbrenne ich noch bei lebendigem Leib.«
»Gütiger Himmel!«, riefen die beiden Frauen im Chor, packten ihn an den Armen und taten genau das, worum er sie gebeten hatte. Als Barnaby dann sicher angebunden war, schauten sie auf ihn hinunter, einerseits verwundert, aber andererseits auch so, als würden sie ihn wiedererkennen.
»Ich kenne dich«, sagte die erste Frau, die Marjorie hieß, und deutete mit einem schrumpeligen Finger auf seine Nase. »Ich habe dich letzte Woche in den Nachrichten gesehen. Du warst der millionste Mensch, der auf die Sydney Harbour Bridge geklettert ist.«
»Der zehnmillionste«, korrigierte Barnaby sie.
»Wer ist er?«, wollte Ethel wissen. Die Frauen hatten Frisuren, die aussahen wie Krähennester, und das Haargewuschel wurde von verschiedenen Stricknadeln und Essstäbchen zusammengehalten. »Was hast du gesagt, Marjorie – wer ist er?«
»Du erinnerst dich doch, meine Liebe – wir haben ihn an dem Abend, als wir gelandet sind, im Fernsehen gesehen. Er ist mit seinen Schulkameraden auf die Brücke geklettert und hat einen Rekord aufgestellt. Die Leute sind in Begeisterungsstürme ausgebrochen. Und dann hat sich herausgestellt, dass er dauernd davonfliegt. Es war höchst eigenartig.«
»Ach, der Junge!«, erwiderte Ethel und schaute wieder auf Barnaby hinunter. »Warst du das tatsächlich?«
»Ja, ich war’s«, gab Barnaby zu.
»Aber was tust du hier oben? Es passiert nicht oft, dass wir jemanden in unseren Ballon ziehen müssen. Ja, genauer gesagt, es ist sogar das erste Mal.«
»Das zweite Mal, Ethel«, warf Marjorie ein. »Vergiss nicht die menschliche Kanonenkugel über Moskau.«
»Oh, ja, stimmt. Aber die Kanonenkugel ist in unseren Korb gefallen, stimmt’s? Wir mussten sie nicht reinholen. Aber noch mal: Was tust du hier oben?«
Barnaby machte den Mund auf, um seine Geschichte zu erzählen, wollte aber seine Mutter nicht anschwärzen. »Es
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