Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die unglaublichen Abenteuer des Barnaby Brocket (German Edition)

Die unglaublichen Abenteuer des Barnaby Brocket (German Edition)

Titel: Die unglaublichen Abenteuer des Barnaby Brocket (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
Vom Netzwerk:
Südamerika?«, fragte er, während er aß. »Leben Ihre Ehemänner dort?«
    »Unsere Ehemänner?«, rief Ethel und schaute entsetzt zu Marjorie.
    »Unsere Ehemänner?«, wiederholte Marjorie dröhnend und starrte Ethel an, als hätte ihr soeben jemand angedroht, sich auf ihren Kopf zu setzen.
    »Wir haben keine Ehemänner, junger Mann«, erklärte Ethel. »Ehemänner sind unangenehme, übelriechende Kreaturen. Sitzen immer nur faul rum, diese Nichtsnutze. Sie trinken, schließen Pferdewetten ab, haben immer eine Ausrede, warum sie das schiefe Küchenregal nicht reparieren können. Geben höchst widerliche Geräusche von sich und produzieren ekelhaften Gestank, der aus irgendwelchen unaussprechlichen Regionen ihres grauenvollen Körpers kommt, während sie vor dem Fernseher sitzen und sich Sportsendungen ansehen.«
    »Sportsendungen!«, wiederholte Marjorie und schüttelte sich.
    »Nein – den Gedanken an einen Ehemann haben wir schon vor vielen Jahren aufgegeben. Für dieses Thema haben wir uns im Grunde nie interessiert, stimmt’s, Marjorie?«
    »Ja, stimmt – nicht im Geringsten, Ethel.«
    »Heißt das, Sie sind schon lange befreundet?«, wollte Barnaby wissen.
    »Oh, ja«, antwortete Marjorie. »Wir waren Anfang zwanzig, und das ist mehr als vierzig Jahre her, ob man es glaubt oder nicht. Wir haben uns bei einer Laienspielgruppe in Shropshire kennengelernt, und schon beim ersten Blick war uns klar, es ist unsere Bestimmung, dass wir –«
    »Dass wir Freundinnen sind«, unterbrach Ethel sie und tätschelte lächelnd ihre Hand. »Die besten Freundinnen.«
    »Die engsten Freundinnen«, stimmte Marjorie ihr zu.
    »Ganz genau.« Ethel nickte zufrieden. »Dagegen ist nichts einzuwenden, oder?«
    »Nein, selbstverständlich nicht«, sagte Barnaby. »Ich hatte mal einen sehr guten Freund namens Liam McGonagall. Er hat mir das Leben gerettet, als unsere Schule abgebrannt ist. Na ja – ich sage Schule , aber es war eher ein Gefängnis.«
    »Hast du sie angezündet?«, fragte Marjorie, beugte sich wieder zu ihm und piekste ihn mit einem ihrer Essstäbchen.
    »Nein«, entgegnete Barnaby. »So was würde ich nie tun.«
    »Du kommst hoffentlich nicht auf dumme Gedanken wegen der Flamme da oben!«
    »Ich habe die Schule nicht angezündet«, beharrte Barnaby. »Das Gebäude war eine Feuerfalle!«
    »Ich dachte, deine Mutter hat dich vielleicht deswegen in die Luft geschickt.«
    »Sie hat mich wegfliegen lassen, weil sie findet, ich bin nicht normal.«
    Zum ersten Mal schwiegen beide Damen. Sie schauten erst Barnaby an, dann einander, dann wieder den Jungen.
    »Soll ich dir etwas sagen?«, begann Ethel, etwas leiser jetzt. »Vor vierzig Jahren hat meine Mutter zu mir auch gesagt, ich sei nicht normal, und hat mich rausgeworfen. Ich habe sie nie wieder gesehen. Sie hat meine Telefonanrufe nicht angenommen und sich geweigert, auf meine Briefe zu antworten. Es war ganz schrecklich.«
    »Mein Vater hat zu mir ungefähr das Gleiche gesagt«, fügte Marjorie hinzu. »Hat mir die Tür vor der Nase zugemacht – für immer.«
    »Aber das verstehe ich nicht«, sagte Barnaby. »Sie kommen mir beide total normal vor. Sie sehen auch nicht anders aus als die alten Damen, die in unserer Straße wohnen.«
    »Das mit dem ›alt‹ kannst du dir sparen, du kleiner Frechdachs, sonst werfen wir dich nämlich über Bord«, sagte Marjorie und schaute ihn böse an, begann dann aber gleich so laut zu lachen, dass ihr ganzer Körper wackelte, als würde sie überall gekitzelt.
    »Hör auf, Marjorie«, sagte Ethel kichernd. »Der arme Junge denkt noch, du meinst es ernst.«
    »Ach, Unsinn«, beharrte Marjorie. »Ich habe seit 1982 nichts mehr ernst gemeint. Ich würde dich niemals über Bord werfen, junger Mann, keine Sorge.«
    »Vielen Dank«, murmelte Barnaby erleichtert.
    »Also, die Sache ist die: Nur weil deine Vorstellung von Normal nicht die gleiche ist wie die der anderen, heißt das noch lange nicht, dass etwas mit dir nicht stimmt.«
    »Ganz genau, Marjorie!« Ethel nickte mit Nachdruck. »Wenn ich auf meine Mutter gehört hätte, als sie sagte, mit mir stimmt etwas nicht, hätte ich ein sehr einsames Leben geführt.«
    »Und wenn ich auf meinen Vater gehört hätte, wäre ich immer nur unglücklich gewesen.«
    »Wer will überhaupt normal sein?«, rief Ethel und warf die Arme in die Luft. »Ich jedenfalls nicht.«
    »Aber wenn ich normal wäre, dann hätten meine Eltern mich nicht weggeschickt«, sagte Barnaby. »Ich wäre immer noch zu

Weitere Kostenlose Bücher