Die unglaublichen Abenteuer des Barnaby Brocket (German Edition)
Astronauten würden es ihm erlauben. Doch dann schüttelten sie alle den Kopf.
Naoki Takahashi begab sich in eine separate Kabine, die völlig abgeriegelt wurde, ehe sich auf der anderen Seite langsam eine Tür öffnete und er in die endlose Weite des Raums hinaustrat. Seine Bewegungen waren so elegant wie die eines Tänzers. Er breitete die Arme aus und war mit der Zéla IV-19 nur noch durch die starke weiße Leine verbunden, die Dominique vorhin misstrauisch kommentiert hatte.
»Wie lang bleibt er draußen?«, erkundigte sich Barnaby, der jede seiner Aktionen aufmerksam durch das Bullauge verfolgte und ihn glühend um dieses große Abenteuer beneidete.
»Neunzig Minuten – wir dürfen nicht vergessen, die Uhr im Auge zu behalten«, sagte Wilhelmina. »Der Sauerstoff reicht nur für diese Zeitspanne. Wenn wir ihn länger draußen lassen, erstickt er und stirbt.«
Es war schwierig, nachzuvollziehen, was Naoki da draußen eigentlich machte. Immer wieder holte er aus einer seiner Taschen irgendein wissenschaftliches Instrument, hielt es etwa eine Minute vor sich hin und steckte es anschließend zurück in die Tasche, die er dann mit dem Reißverschluss zumachte. Manchmal griff er auch zu einer ungewöhnlich geformten Flasche, öffnete den Deckel, wartete einen Moment, schraubte die Flasche wieder zu und verstaute sie ebenfalls hinter einem Reißverschluss. Alles schien reibungslos zu laufen.
Bis etwas schiefging.
»Die Leine!«, rief George, das Gesicht gegen das Bullauge gepresst. Das weiße Seil, durch das Naoki mit dem Raumschiff verbunden war, zitterte und wackelte ein paar Minuten, und plötzlich stand der Astronaut auf dem Kopf und drehte sich im Kreis. Seine Arme spreizten sich vom Körper weg, und er schaute ganz verwirrt zum Raumschiff zurück.
»Ich wusste doch, dass etwas nicht stimmt!«, rief Dominique, und man hörte die Panik in ihrer Stimme. »Ich habe es euch gesagt, aber keiner wollte mir zuhören.«
»Hol ihn wieder rein«, befahl George, und Matthias drückte den Knopf, über den die Leine aufgerollt und der Astronaut zurück in die luftdichte Kabine geholt wurde. Aber als er den Knopf berührte, gab es ein gruseliges Geräusch, wie wenn Elastik zu stark gedehnt wird und reißt. Oder wie wenn ein Ballon aufgeblasen wird, bis er platzt. Die weiße Leine riss, und Naoki Takahashi segelte in den Weltraum, ohne die geringste Chance, zu den anderen zurückzukehren. Er winkte ihnen zu, und sie winkten zurück, um ihm zu signalisieren, dass sie an dem Problem arbeiteten. Dann versammelten sie sich alle um den Tisch, mit Diagrammen und schematischen Skizzen.
»Wir müssen eine zweite Leine auswerfen«, sagte Calvin. »Wenn wir es schaffen, ihn wieder mit dem Raumschiff zu verbinden, können wir in zurückholen. Ich gehe raus.«
»Nein, ich gehe«, verkündete George, der die Vorstellung, ein Held zu sein, sehr verführerisch fand.
»Wenn ihr euch streitet, dann gehe am besten ich«, erklärte Dominique, die sich schon ausmalte, wie sie in den Élysée-Palast eingeladen wurde, um ihre Tapferkeitsmedaille in Empfang zu nehmen.
»Wenn jemand rausgeht, bin ich das«, erklärte Wilhelmina.
»Das soll wohl ein Witz sein!«, rief Matthias und lachte herzlich. »Hier ist eindeutig deutsche Effizienz gefragt. Um diese Aufgabe muss sich ein Matthias Kuznik kümmern.«
»Redest du wieder von dir in der dritten Person?« George schüttelte den Kopf. »Das ist genau die Art von Arroganz, die wir nicht brauchen können, besten Dank.«
Die Astronauten redeten nun alle durcheinander, jeder wollte unbedingt nach draußen geschickt werden, um Naoki zu retten. Barnaby schaute auf die Uhr. Die Minuten vergingen, und Naokis Sauerstoffvorrat wurde immer knapper.
»Ich mach’s«, sagte er leise – so leise, dass die fünf Astronauten ihn erst gar nicht hörten. »Ich habe gesagt, ich mach’s«, wiederholte er, diesmal etwas lauter, und alle schauten ihn an – ein bisschen genervt, als würde er sie stören.
»Sei nicht albern, Barnaby«, sagte Wilhelmina. »Du bist kein ausgebildeter Astronaut. Wenn wir dich hinausschicken, verlierst du sofort die Selbstkontrolle. Du musst gelernt haben, wie man fliegt.«
»Wenn ich etwas kann, dann ist es Fliegen.« Barnaby richtete sich auf und stemmte trotzig die Hände in die Hüften.
»Können wir das Risiko eingehen?« Fragend schaute Dominique die anderen an. »Er ist noch ein Kind.«
»Ein Kind, das helfen will«, sagte Barnaby. »Und ihr könnt euch ja nicht
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