Die Unseligen: Thriller (German Edition)
Fotos von Yaru Aduasanbi, die wir gefunden haben, ist ein lächelnder Mann mit schelmischem Blick zu sehen. Ehemalige Studenten, die bei ihm wirtschaftswissenschaftliche Kurse belegt hatten, sagen über ihn, er sei ein charismatischer und leidenschaftlicher Professor gewesen, den die sozialen Ungerechtigkeiten, unter denen Nigeria leidet, zutiefst empört hatten.
Der Anführer der MEND hat letzten April seinen 60. Geburtstag gefeiert. Schon zu diesem Zeitpunkt hatte Yaru Aduasanbi beschlossen, in den Untergrund zu gehen.
»Die Entscheidung, zu den Waffen zu greifen, um die Bewohner des Deltas zu verteidigen, fiel ihm schwer. Er ist ein Idealist und eigentlich gegen Gewalt. Aber nach dem Scheitern des Prozesses wurde ihm klar, dass er keine andere Wahl hatte«, enthüllte uns einer seiner Vertrauten.
Einen richtigen Prozess hat es nicht gegeben. Im Jahr 2003 hatte Yaru Aduasanbi etwa 30 Familien, die Opfer willkürlicher Enteignungen geworden waren, dazu gebracht, Zivilklage gegen die Mineralölkonzerne und die Regierung einzureichen. Er hat sämtliche Gerichts- und Anwaltskosten aus eigener Tasche bezahlt, aber das Gericht hat die Klage dieser Familien für unzulässig erklärt. Mit den Worten ihres Anwalts: »Wir haben eine Akte, die über 7000 Dokumente enthält. Der Richter hat sich nicht einmal die Zeit genommen, auch nur eines davon zu lesen.« Er räumt ein: »Es war naiv, sich juristisch mit der Regierung und denjenigen anzulegen, die Nigeria ernähren. Ich habe es Yaru immer wieder gesagt. Aber er ließ sich nicht davon abbringen. Er wollte es durchziehen.«
Im Jahr darauf nahm Yaru Aduasanbi seinen Abschied von der Universität und verreiste. Seine Verwandten glaubten, dass er an einer Depression litt. Doch dem war nicht so.
In Johannesburg in Südafrika traf sich Yaru Aduasanbi mit einem ausgewanderten Nigerianer, der mit Waffengeschäften ein Vermögen gemacht hat: Henry Okah. Gemeinsam legten sie den Grundstein für die Organisation »Movement for the Emancipation of the Niger Delta«.
Auf den Fotos sieht Henry Okah mit seinem glatt rasierten Kopf wie ein Schwergewichtsboxer aus. Nach allem, was man von amtlicher Seite weiß, hat der Sohn eines hohen Beamten aus Abuja die Grundlagen seines Reichtums damit gelegt, dass er Klinken putzen ging – wenn auch mit ungewöhnlichen Artikeln: Waffen, die er ohne amtliche Genehmigung an die Neureichen Südafrikas verhökerte.
Okah kaufte sich sein Arsenal für ein paar Rand in den Slums von Soweto und Alexandra zusammen und verkaufte die Munition und die Waffen dann 30-mal teurer an die Reichen von Johannesburg weiter. Anschließend gründete er eine private Sicherheitsfirma, für die er Mitglieder der Township-Gangs einstellte, die von nun an als Bodyguards Geschäftsleute beschützten. Es wird gemunkelt, dass er in diverse Schiebereien verwickelt sein soll: Drogen und Kosmetika für schwarze Haut, die den Teint aufhellen sollen. 1998 soll er die Mouvement de Libération du Congo ( MLC ), die gegen die Truppen der Regierung von Laurent-Désiré Kabila kämpfte, logistisch und finanziell unterstützt haben.
Mit Sicherheit weiß man, dass Henry Okah – unter dem Pseudonym Jomo Gbomo – seit 2001 E-Mails verschickte, in denen er die Nigerianer zu einem Volksaufstand anstachelte. Das Innenministerium vermutet, dass Yaru Aduasanbi und er auf diesem Weg miteinander in Kontakt getreten sind. Zwischen 2004 und 2006 rekrutierten und trainierten Yaru Aduasanbi und Henry Okah Kämpfer für die MEND , organisierten die Bewegung und legten den Grundstein zu einer Revolution.
In einer E-Mail an seine Frau – die mit ihrem Einverständnis veröffentlicht wurde – schrieb Yaru Aduasanbi:
»Diejenigen, die sich uns angeschlossen haben, sind weder Söldner noch geldgierige Abenteurer, es sind Bauern, Fischer, Familienväter wie ich, und ein und dieselbe Empörung schmiedet uns alle zusammen. Am 4. Mai beginnt die Revolution. Wir haben dieses Datum ausgewählt, um die Bewegung des 4. Mai zu würdigen. Wir haben uns das Manifest der chinesischen Studenten zu eigen gemacht:
Das chinesische Staatsgebiet kann erobert, aber nicht verkauft werden! Das chinesische Volk wird sich eher niedermetzeln lassen, als sich zu ergeben. Unserem Land droht die Vernichtung! Brüder, erhebt euch!
Postskriptum: Mach dir keine Sorgen um mich. Ich weiß, dass ich dort bin, wo ich sein muss. Sag unseren Kindern, dass ihr Vater sie liebt.«
Juni 2006
Entwicklungshelfer und
Weitere Kostenlose Bücher