Die Unseligen: Thriller (German Edition)
Europa ist sie in Sicherheit, und die Ärzte Seiner Heiligkeit können sich mit diesem Fall beschäftigen.
Ich nehme an, dass Sie die Gründe für mein Drängen und meine Besorgnis nicht verstehen, aber wir müssen schnell handeln.
Es war unvorsichtig von mir, einen Arzt der Regierung hierherkommen zu lassen. Ich habe ihm mitgeteilt, was ich herausgefunden habe. Er hat mir zuerst nicht geglaubt, doch als er Naïs dann abgehorcht hat, konnte er sich der Wahrheit nicht länger verschließen. Er hat das Waisenhaus noch einige Male besucht und mir von einer jungen Amerikanerin erzählt, die ähnliche Symptome aufweisen soll.
Bei seinem fünften Besuch wurde er von drei Genetikern der Universität Ibadan begleitet. Sie haben mir vorgeschlagen, Naïs in ein Krankenhaus zu überführen, um sie »zu erforschen«. Das war das Wort, das sie benutzten. Ich habe das abgelehnt. Bevor sie aufbrachen, habe ich zufällig ihre Unterhaltung mit angehört: Sie sprachen über das kommerzielle Potenzial einer solchen Entdeckung und das Interesse der nigerianischen Regierung daran, einen solchen medizinischen Fall zu »besitzen«. Das ist wieder genau der Begriff, den sie verwendet haben.
Ich habe Vorsichtsmaßnahmen ergriffen, indem ich Naïs von den anderen Waisenkindern isoliert habe. Hier kommt es häufig zu Kindesentführungen, und ich habe den Verdacht, dass die Behörden Naïs um jeden Preis in ihre Gewalt bringen wollen.
Ich habe kein Vertrauen mehr in das Personal des Waisenhauses. Der Koch streut Gerüchte, wonach Naïs ein verhextes Kind sei. Der hier weit verbreitete Aberglaube lässt mich das Schlimmste befürchten. Ich weiß, dass sie nicht davor zurückschrecken würden, dieses kleine Mädchen zu ermorden.
Ich habe das Gefühl, mich in einer ausweglosen Lage zu befinden. Aus diesem Grund bitte ich Sie inständig um Hilfe.
Pater David beendete die Lektüre und unterschrieb unten auf der Seite. Er legte das Blatt auf die Schreibunterlage und tat etwas, was er seit Jahren nicht mehr getan hatte. Er betete.
Zeitungsausschnitte
2004
20. Dezember, NIGERIAN TRIBUNE
Auf Anordnung der Regierung muss das katholische Waisenhaus in Owerri schließen
Seit Anfang September steht das Waisenhaus der Petits Frères du Peuple im Zentrum eines Skandals, der das Land erschüttert. Doch das Strafgericht von Owerri hat unter großer Geheimhaltung das Verfahren eingestellt. Die Hauptanklagepunkte gegen die katholischen Priester, die diese Anstalt leiteten, wurden fallen gelassen. Um die Bevölkerung nicht gegen sich aufzubringen, hat die Regierung nach dieser Gerichtsentscheidung die Schließung des Waisenhauses angeordnet.
Die Vorgeschichte: Aufgrund einer Anzeige eines ehemaligen Zöglings der Anstalt leitete die Polizei ein Ermittlungsverfahren wegen möglicher Misshandlungen von Zöglingen des Waisenhauses ein.
Pater David, gebürtiger Franzose, der die Einrichtung seit 1994 leitete, beteuerte von Anfang an, die Anschuldigungen gegen ihn und die übrigen Priester entbehrten jeglicher Grundlage.
Die Person, die Anzeige erstattete, zog schließlich die Anzeige ohne eine Erklärung zurück.
Beim Verlassen des Gerichts erklärte Pater David: »Für mich ist diese Sache noch nicht abgeschlossen. Ich fühle mich in den Schmutz gezogen und entehrt. Ich weiß nicht, warum oder zu welchem Zweck die nigerianische Regierung uns angreift, aber glauben Sie mir, ich werde es herausfinden.«
Die Frage »Werden Sie Nigeria verlassen?« verneinte Pater David. »Wir werden eine neue Mission gründen. Wir wissen noch nicht, wo. Ich lebe seit mittlerweile 11 Jahren in diesem Land, und es gibt viel zu tun. In meinen Augen verkörpert Nigeria die Welt so, wie sie heute ist: Religionskriege, Kriege um Erdöl, Umweltzerstörung, gesellschaftliche Ungleichheit, Korruption und so weiter. Alles, was in dieser kapitalistischen Welt Probleme bereitet, konzentriert sich in Nigeria. Wenn ich daher den Kampf hier aufgebe, gebe ich meinen Kampf gegen das auf, worauf die Welt zusteuert. Sie können sicher sein, dass ich bis zum Ende kämpfen werde.«
2005
5. Februar, FREE DELTA NEWS
Neue Ölpest im Delta
1. März, ABUJA MIRRORS
Demonstration gegen Mineralölkonzerne
Als Reaktion auf die Ölpest vom 5. Februar, bei der Fanggründe verschmutzt wurden, sind in Port Harcourt und Benin City Tausende von Demonstranten auf die Straße gegangen.
2. März, LAGOS TIMES
Demonstration in Port Harcourt: 6 Tote
Gestern Nachmittag eröffnete die Polizei das Feuer
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