Die Unseligen: Thriller (German Edition)
betrat vorsichtig das kleine Zimmer, das etwas abseits vom Waisenhaus lag. In der Tür lächelte er der jungen Frau zu, die das Kind in ihren Armen hielt.
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Megan saß am Fenster und streichelte das Gesicht von Naïs, die sich an sie kuschelte.
Irgendwo in der Dunkelheit sang eine Frau, und ihre Worte verschmolzen mit dem Säuseln des Windes zwischen den Ästen der Eukalyptusbäume.
Megan Clifford fragte sich, ob eine unsichtbare Hand ihren Lebensfaden gesponnen hatte, um sie bis hierherzuführen, weit weg von ihren Wurzeln und der ihr vertrauten Welt. Der Tod Alisons, ihr Wunsch, Krankenschwester zu werden, ihre Träume, der Tod Benjamins, ihre Freuden, ihre Erinnerungen, ihre Hoffnungen, alles, was ihr Leben ausmachte und es definierte, hatte es keinen anderen Sinn, als sie genau zu diesem Zeitpunkt an diesen Ort zu bringen?
Bei dem Gedanken wurde ihr schwindlig, aber ihre Entschlossenheit geriet nicht ins Wanken.
Sie hatte auf die inständige Bitte des Priesters geantwortet und geschworen, ihr Schicksal an das des kleinen Mädchens zu binden. Gemeinsam wollten sie sie beschützen und ihr jene Geborgenheit schenken, die jedem Kind zusteht. Das war der Sinn, den sie ihrem Leben geben wollte.
Seit sie diesen Entschluss gefasst hatte, spukte das Gespenst Alisons nicht mehr durch ihre Nächte.
Naïs schlug die Augen auf und starrte sie lange an. Ein Lächeln erhellte ihr Gesicht.
»Mama« war das erste Wort, das sie sagte.
ANMERKUNG DES AUTORS
Ein Großteil der Ereignisse, die in diesem Roman geschildert werden, entspricht der historischen Wahrheit.
Henry Okah gibt es wirklich, und seine, zumindest erstaunliche, Entlassung aus dem Gefängnis im Jahr 2009 diente mir als Grundlage für diesen Roman. Gegenwärtig steht er wegen des Verdachts vor Gericht, an einem Doppelanschlag beteiligt gewesen zu sein, der am 1. Oktober 2010 , dem 50. Jahrestag der Unabhängigkeit Nigerias, in Abuja zwölf Todesopfer forderte.
Während Naïs meiner Phantasie entsprungen ist, feiert ihre amerikanische »Zwillingsschwester«, Brooke Greenberg, zu dem Zeitpunkt, wo ich diese Zeilen schreibe, ihren 18. Geburtstag.
Der Vorname Naïs ist eine Hommage an Yal Ayerdhal und die Heldin seines Romans Transparences .
Nach dem Bruch einer Ölpipeline von Exxon Mobile am 1. Mai 2010 ergossen sich vier Millionen Liter Rohöl ins Nigerdelta, ehe das Leck nach einer Woche abgedichtet werden konnte.
Die Figuren Pater David und Yaru Aduasanbi sind von der Lebensgeschichte von Camilo Torres inspiriert, dem Priester und Hochschullehrer, der zum Guerillero wurde. Er ist in Südamerika genauso berühmt wie Ernesto Guevara. Seine letzten Worte, ehe er von der kolumbianischen Armee getötet wurde, lauteten: »Kein Schritt zurück! Befreiung oder Tod!«
DANKSAGUNG
Dieser Roman ist meinen Eltern und meiner Schwester gewidmet; ich möchte ihnen meine tief empfundene Zuneigung bekunden.
Ich danke der Frau, die mir im Alltag zur Seite steht, mich beflügelt und meine Zweifel erträgt: Eloïse.
Gérard und Ginette Lanine schenken mir das Selbstvertrauen, das man braucht, um ein Projekt beharrlich voranzutreiben, und ich folge ihrem Beispiel: Ohne Fleiß kein Preis.
Nicolas Trenti und Benoît Minville haben Schritt für Schritt den Fortschritt dieses Textes verfolgt, und ich weiß, dass ohne ihre Unterstützung und ihre Freundschaft das Schreiben dieses Romans nicht den gleichen Reiz besessen hätte. Ich werde ihnen nie genügend dafür danken können. Aufmerksame Leser – Dominique Bouchard, Hoel Maleuvre und Didier Coviaux – haben mir durch ihre klugen Ratschläge erlaubt, dieses literarische Abenteuer konsequent zu Ende zu führen. Ich möchte die Gelegenheit nicht versäumen, ihnen hier meine tiefe Dankbarkeit auszudrücken.
Das Centre National du Livre hat mir sein Vertrauen erwiesen, indem es dieses Projekt unterstützt hat: Ich danke den Mitarbeitern und insbesondere Armelle Courrèges für ihr offenes Ohr und ihre Liebenswürdigkeit.
Schließlich hätte ich diesen Roman nicht schreiben können ohne die unschätzbaren persönlichen Erfahrungsberichte von Dr. Arnaud Jannin, der als Arzt für Médecins Sans Frontières arbeitet, und die Ermunterungen von Claude Mesplède, Jean Douchet, David Boidin, Carol Menville und den Lesern von Die elfte Geisel.
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