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Die unsicherste aller Tageszeiten

Die unsicherste aller Tageszeiten

Titel: Die unsicherste aller Tageszeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Pregel
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des zu ihrem Rand hin ausfransenden Kleinstadtgelichters. Dahinter wartet bleich und leblos das alte Gemäuer selbst. Wie im Schlaf gestorben steht es da, mit der bis tief über die Stirn heruntergezogenen Nachtmütze seines Reetdachs noch auf dem Kopf. Oder wie fast gestorben, denn in einem der kleinen Fenster brennt ja doch noch Licht: die kleine Lampe, die ich beim Hinausgehen vorhin absichtlich angelassen habe. Sie heißt mich jetzt willkommen, winkt mich freundlich herbei und heißt mich mit leiser Herzlichkeit einzutreten. Es ist gut, sie angeschaltet zu haben, denn ohne sie würde mir das Eintreten jetzt viel schwerer fallen. So reicht ein langer, tiefer Seufzer, bevor ich den Schlüssel im Schloss drehe, die Tür aufstoße und die Kate betrete. Wer weiß, wie lange ich dafür gebraucht hätte, wenn mich nichts als Dunkelheit empfangen hätte, leere Dunkelheit.
    Ich bleibe gar nicht erst stehen, sondern gehe schnurstracks ins Badezimmer und lasse mir ein Schaumbad ein. Wie sehr mich das schon wieder an Klaus erinnert, verdränge ich dabei mit Nachdruck. Während das Wasser einläuft und der Schaum sich auftürmt, gehe ich in die Küche, entkorke eine der beiden Weinflaschen, nehme ein Glas aus dem Schrank und trage beides zur Wanne; der heruntergeklappte Klodeckel dient mir als Tisch. Danach heißt es dann warten, bis die Wanne voll ist, was ich ungeduldig tue. Plötzlich ist mir einfach nur noch kalt, ich friere bis auf die Knochen und sehne mich danach, in die Wärme des Bades einzutauchen, mich wenigstens von ihr umarmen zu lassen, wenn auch ohne Klaus. Klaus, Klaus, Klaus, sein Name hämmert wie ein Herzschlag in meinem Gehirn, aber das lässt sich jetzt nicht mehr ändern. Ich schlüpfe aus meinen Klamotten, steige in den brüllend heißen Porzellanzuber und nehme mir vor, solange wie möglich darin sitzen zu bleiben, notfalls eben die ganze Nacht. Wenn es mir nur Ruhe, mich auf andere Gedanken bringt.
    Von diesem Plan bleibt natürlich nicht viel übrig. Kaum sitze ich in der Wanne, weiß ich nicht mehr, wozu überhaupt, wenn ich hier alleine sitzen soll. Die Erinnerung an Klaus ist übermächtig. Es sind nicht einmal Schuldgefühle, die mich, im warmen Wasser sitzend, verfolgen, sondern tatsächlich nur Erinnerungen an die schöne gemeinsame Zeit mit Klaus, an seinen warmen Körper, seine weiche Stimme in meinem Ohr, wie er mich immer gehalten hat: beschützend, aber nicht besitzergreifend, wahrhaft väterlich. Warum habe ich ihm am Ende dann doch nicht vertraut? Ihm hätte ich alles sagen, beichten können, er hätte es verstanden und weiterhin zu mir gehalten. Stattdessen habe ich ihm was vorgemacht und mich dann aus dem Staub. Seitdem, habe ich das Gefühl, dreht sich mein Leben im Kreis, wo immer ich auch geh und steh, mit wem ich mich auch gerade einlasse.
    Zur Strafe scheure ich mir den Dreck von letzter Nacht, den ich mir ja längst abgeduscht habe, mit einem rauen Schwamm ab. Vielleicht ist ja doch noch etwas vom Blut und Sperma, von Nikotin- und Alkoholresten im Speichel auf und unter der Haut vorhanden. Ich reibe mir die Haut ab, bis sie krebsrot ist, als würde sie glühen. Dann nehme ich mir meinen Hintern vor, den ich, ungeachtet der Tatsache, dass er eh schon wund ist, regelrecht mit dem Schwamm malträtiere. Es brennt, brennt und sticht bei jeder Berührung, aber ich kann lange Zeit nicht damit aufhören. Ich ächze und stöhne und rede mit mir selbst, schimpfe mich aus, was für ein verantwortungsloser Idiot ich doch bin und dass ich genau diese Behandlung für mein Verhalten verdient habe, aus Strafe, alles aus Strafe. Der entkommt man nicht, irgendwann holt sie einen immer ein. Da kann man noch so weit weglaufen, sogar auf die einsamste Insel der Welt, die Strafe trägt man immer mit sich, einer Tropenspinne gleich sitzt sie im Gepäck und wartet darauf, dass man seinen Koffer öffnet.
    Diese Litanei geht weiter und immer weiter, während ich schrubbe und schrubbe und mich beinahe selbst fiste – bis ich plötzlich bemerke, dass ich nicht nur einen Steifen habe, sondern schon seit einer geraumen Weile dabei bin, mir einen runterzuholen. Erst da halte ich erschrocken inne, erstarre regelrecht im schwappenden Wasser. Ich sehe meinen steifen Schwanz an, meine rechte Hand, die ihn umklammert, als wolle sie ihn erwürgen, während die linke halb in meinem Arschloch steckt und ihre Finger verdächtig oft über die Prostataregion fahren. Ich starre auf meinen nackten Leib, der scheinbar

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