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Die unsicherste aller Tageszeiten

Die unsicherste aller Tageszeiten

Titel: Die unsicherste aller Tageszeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Pregel
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zusammengehörten. Wir würden nicht nur Sex haben, sondern echte, ernsthafte Liebe machen. In Ruhe, mit Zeit, ohne Druck und ohne Angst vor Entdeckung. Die schnellen, heißen Techtelmechtel unter der Vereinsheimdusche waren zwar geil, aber sie befriedigten mich schon längst nicht mehr über den eigentlichen Moment hinaus. Ich wollte mehr. Ich wollte, dass unsere Haut nicht nur nass vom warmen Wasser und vom Duschgel so rutschig glatt war, dass die Hände zwar mit geschmeidiger Leichtigkeit darüberfahren konnten, aber auch kaum je einen echten Halt fanden, außer vielleicht an den Schwänzen, die bei diesem Verfahren beinahe schon zu bloßen Haltestangen degradiert wurden, auf die sich bald, allzu bald dann immer die ganze Konzentration fokussierte. Und so leidenschaftlich gern ich Karsten auch küsste, besonders wenn er diesen Unterdruck erzeugte und mich, allen voran meine Zunge, schier in sich hineinzusaugen schien, so wollten meine Lippen inzwischen über seinen ganzen Körper auf Entdeckungsreise gehen, meine Zunge ihn überall lecken, an den Brustwarzen, an Schwanz und Eiern und sogar in der Kimme. Bisher hatte Karsten nichts davon zugelassen, mir nur manchmal von hinten seinen Schwanz zwischen die Oberschenkel gesteckt und gerieben, dabei meinen Hintern ignorierend, dem ich ihm nur allzu gern ganz weit geöffnet hätte. Aber kaum hatte ich entsprechende Anstalten gemacht, hatte er mich jedes Mal sogleich wortlos wieder umgedreht und das altbekannte Programm abgespult.
    Diese Nacht würde anders werden, dieses Mal würden sich meine Träume, meine Wünsche, mein Verlangen endlich erfüllen.
    In den Tagen vor unserer Reise hatte ich einen immer wiederkehrenden feuchten Traum gehabt: Karsten, wie er dort mit all seiner Größe in mich eindrang, wo bisher nur meine Finger wenige Male wenige Zentimeter Land erkundet hatten, und wie das ein überwältigendes Glücksgefühl in mir auslöste und ich hernach in seinen schweißnassen Armen, in seinem schweißnassen Brusthaar einschlief, wohl wissend, ihn noch immer in mir zu haben, von seinem Samen befruchtet zu sein.
    Besonders Karsten unternahm nichts, was die Ernsthaftigkeit unseres Ansinnens, guten Sport abzuliefern, infrage hätte stellen können. Nicht einmal während der langen Autofahrt hierher oder der kurzen vom Vereinsgelände zu seinem Elternhaus durfte ich ihn auch nur berühren, geschweige denn küssen. Hätte man uns die ganze Zeit über beobachtet, wir hätten keinerlei Verdacht erregt, obwohl es mir sehr, sehr schwerfiel, mich zu beherrschen. Karsten war nervös, über die Maßen. Kaum waren wir miteinander allein, wurden seine Gesten fahrig, sein Blick unstet und seine Handflächen feucht. Immer wieder warf er einen Blick über die Schulter oder in Rück- und Seitenspiegel seines Passats, als fürchtete er polizeiliche Verfolgung. Und mich machte das erst so richtig geil, diese Idee, in Gefahr zu schweben, womöglich auf der Flucht zu sein, vor den Behörden vielleicht oder doch nur vor meinem Vater oder seiner Ehefrau, der bösen Hexe in diesem Stück, auf mich wirkte das aphrodisierend. Als wir endlich sein Elternhaus erreichten und den Gruß der Nachbarn vernahmen, die schon auf uns gewartet zu haben schienen und erst einmal lang und breit den verlorenen Sohn willkommen heißen mussten, hielt ich es kaum mehr aus und hätte ihm und mir am liebsten noch an der Haustür sämtliche Kleider vom Leib gerissen, um mich dann von Karsten feierlich ins Ehebett seiner Eltern tragen zu lassen.
    Er aber schloss hinter uns die Haustür ab –was mir recht war – und unternahm, mich wortlos stehen lassend – was mir überhaupt nicht recht war – einen Rundgang durchs Haus, kontrollierte alle Räume, alle Fenster und Türen und überprüfte den Sitz sämtlicher blickdichter Gardinen. In der Küche zog er die mit weißen Gänsen auf himmelblauem Grund bedruckten Vorhänge zu, die eher zur Zierde angebracht waren, als dass sie den Aus- und vielmehr noch Einblick verhindern sollten, um den Sichtkontakt mit dem zehn Meter entfernten Küchenfenster des Nachbarhauses zu unterbinden. Als wir ins Wohnzimmer zurückkamen – ich war ihm auf Schritt und Tritt gefolgt, allein hatte ich nicht zurückbleiben wollen – war das ganze Haus in gräulich weißen Gardinendämmer getaucht, obwohl draußen gleißender früher Nachmittag herrschte. Auch das fand ich erotisierend. Außerdem ließ es die ganzen Familienfotos erblinden, auf denen immer wieder Vater-Mutter-Kind zu

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