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Die unsichtbare Brücke: Roman (German Edition)

Die unsichtbare Brücke: Roman (German Edition)

Titel: Die unsichtbare Brücke: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Orringer
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Die École Spéciale d’Architecture! Sie hatte ihn gewollt, hatte seine Arbeiten gesehen und ihn erwählt, und er war ihrem Ruf gefolgt. Andras sprang die Eingangstreppe hinauf und eilte durch die blauen Türen. An der Wand im Eingang befand sich eine Tafel mit dem goldenen Flachrelief zweier Männer: Émile Trélat, der Gründer der Schule, und Gaston Trélat, der seinem Vater als Direktor nachfolgte. Émile und Gaston Trélat. Namen, die Andras nie vergessen würde. Er schluckte zweimal, glättete sein Haar und betrat das Sekretariat.
    Die junge Dame hinter dem Schreibtisch war eine Gestalt wie aus einem Traum. Ihre Haut hatte die Farbe einer dunklen Haselnuss, ihr kurzes Haar glänzte wie Satin. Ihr Blick war freundlich, ihre dunkel umrahmten Augen schauten fest in die von Andras. Er kam nicht auf die Idee, etwas zu sagen. Noch nie hatte er eine so schöne Frau gesehen, noch nie war er im wirklichen Leben auf einen Menschen afrikanischer Abstammung gestoßen. Jetzt stellte diese wunderschöne junge schwarze Französin ihm eine Frage, die er nicht verstand, und er murmelte eines seiner wenigen französischen Wörter – désolé  – und schrieb seinen Namen auf ein Stück Papier, das er über die Theke schob. Die junge Frau blätterte durch einen Stapel dicker Umschläge und zog einen hervor, auf den oben sein Name, LÉVI , in präzisen Blockbuchstaben gedruckt war.
    Andras bedankte sich bei ihr in seinem ungelenken Französisch. Keine Ursache, sagte sie lächelnd. Er wäre vielleicht einfach stehen geblieben und hätte sie weiter angestarrt, wären in dem Moment nicht mehrere Studenten hereinkommen, die die junge Frau begrüßten und sich über den Tresen lehnten, um sie auf die Wangen zu küssen. Eh, Lucia! Ça va, bellissima? Andras schlüpfte an ihnen vorbei, den Umschlag an seine Brust gedrückt, und ging auf den Korridor. Alle hatten sich unter dem Glasdach des Atriums versammelt, wo gerade die Ateliergruppen angeschlagen worden waren. Andras nahm auf einer niedrigen Bank Platz und öffnete seinen Umschlag, in dem er eine Kursliste fand:

COURS
PROFESSEUR
Histoire d’Architecture
A. PERRET
Les Statiques
V. LE BURGEOIS
Atelier
P. VAGO
Dessinage
M. LABELLE
    Alles ganz nüchtern, als sei es völlig natürlich, dass Andras diese Fächer unter der Anleitung berühmter Architekten studierte. Es gab eine lange Liste notwendiger Literatur und Materialien und ein kleines weißes Kärtchen, handbeschrieben auf Ungarisch (von wem?), auf dem stand, dass Andras aufgrund seines Stipendiums berechtigt sei, sich seine Bücher und den Zeichenbedarf auf Kosten der Schule in einer Buchhandlung am Boulevard Saint-Michel zu beschaffen.
    Andras las die ungarische Nachricht immer wieder aufs Neue, dann schaute er sich im Atrium um und fragte sich, wer wohl dafür verantwortlich sein mochte. Die Studentenmenge gab keinen Hinweis. Niemand sah auch nur entfernt ungarisch aus; hier waren nur hoffnungslos perfekte Pariser. Doch in einer Ecke stand ein Trio unsicher wirkender junger Männer eng beieinander und suchte ebenfalls das Atrium ab. Andras erkannte auf den ersten Blick, dass auch sie Neulinge waren, und die Namen auf ihren Ordnern legten nahe, dass es sich um Juden handelte: Rosen, Polaner, Ben Yakov. Grüßend hob Andras die Hand, und sie nickten ihm zu, eine Art schweigendes Erkennen. Der größte der drei winkte ihn herüber.
    Rosen war ein schlaksiger Kerl mit Sommersprossen, widerspenstigem roten Haar und einem zaghaft sprießenden Ziegenbärtchen. Er legte Andras die Hand auf die Schulter und stellte ihm Ben Yakov vor, der Ähnlichkeit mit dem umwerfenden französischen Filmstar Pierre Fresnay hatte, und dann Polaner, zierlich und zartgliedrig, mit langen schmalen Fingern, das Haar akkurat kurz geschnitten. Andras begrüßte jeden und wiederholte ein ums andere Mal seinen Namen. Das Gespräch der jungen Männer lief in schnellem Französisch weiter, und Andras versuchte, den Sinn aufzuschnappen. Rosen schien der Anführer zu sein; er lenkte das Gespräch, die anderen hörten zu und antworteten. Polaner wirkte nervös, knöpfte unablässig den obersten Knopf seiner altmodischen Samtjacke auf und zu. Der hübsche Ben Yakov machte einer Gruppe junger Mädchen schöne Augen; eine von ihnen winkte herüber, er winkte zurück. Dann beugte er sich zu Polaner und Rosen vor und machte einen Witz, der nur anzüglich gewesen sein konnte, denn die drei prusteten los. Obwohl Andras Schwierigkeiten hatte, der Unterhaltung zu

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