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Die unsichtbare Pyramide

Titel: Die unsichtbare Pyramide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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nehmt Euer Gesindel gleich mit.« Wieder fuchtelte Beorn mit der Axt herum, obgleich er sich der weitaus größeren Reichweite des schwarzen Speers vollauf bewusst war.
    Den dunklen Reiter schien die gegnerische Waffe wenig zu beeindrucken, fast hätte man ihn für ein Standbild halten können. »Ich muss Euch enttäuschen«, antwortete er seelenruhig. »Mein Name ist Cord von Lizard. Ich bin Mologs Waffenmeister und mache Euch ein Angebot, mit dem Ihr dieses Gemetzel hier auf der Stelle beenden könnt.«
    »Warum kommt Ihr damit zu mir, zu Beorn, dem Böttcher von Annwn? Verhandelt mit Redbeard, dem Schultheiß – sofern er noch lebt.«
    Es war ein aberwitziges Bild: Ringsherum versank das Dorf in Feuer und Blut und da palaverten ein Böttcher und ein schwarzer Reiter, als ginge es lediglich darum, den Preis für ein Fass auszumachen. »Ihr habt mich missverstanden, Böttcher Beorn«, erklärte Cord geduldig. »Ich sage Euch lediglich, wie Ihr Euren Hals retten könnt und den Eurer Leute obendrein. Ihr allein könnt dieses Angebot annehmen oder es ablehnen.«
    Beorn schluckte. »Ich habe nichts, das für Euch irgendwie von Wert sein könnte.«
    »Das sieht mein Herr anders: Er will das Kind – auf der Stelle!«
    »Welches…?«
    »Hört auf, es zu leugnen«, schnitt Cord ihm das Wort ab. »Jede Eurer Widerreden kostet einigen Eurer Nachbarn das Leben. Ihr Blut klebt an Euren Händen.«
    Einen Moment lang raubte diese Vorstellung Beorn schier den Atem. Aber dann erwiderte er: »Nicht ich spalte die Schädel meiner Freunde oder schneide ihnen die Kehle durch. Das seid Ihr und Eure Männer. Im Übrigen habe ich keine Ahnung, von was für einem Kind Ihr überhaupt sprecht.«
    »Ich meine den Säugling, den Ihr im Feenwald gefunden habt.«
    Fast wäre Beorn die Axt aus der Hand gerutscht. »Ihr habt das Licht…!« Er biss sich auf die Zunge.
    Aber Cord hatte ihn genau verstanden und hakte sofort nach. »Ein Licht? Ein blaues Licht? Nein, ich habe es nicht gesehen. Mir ist nur aufgefallen, wie Ihr zusammenzucktet und wie blass Ihr geworden seid, als ich heute in dem Hohlweg meine Lanze in Euren grünen Liebeshaufen spießte. Da war mir klar, dass Ihr unter dem Gras etwas vor mir versteckt habt. Doch jetzt, wo Ihr selbst das Licht erwähnt, bin ich mir meiner Vermutung umso sicherer. Wo versteckt Ihr das Kind?«
    Beorn konnte vor Kummer und Scham kaum noch auf den Beinen stehen. Er hatte Trevir verraten. Und seine Nachbarn ebenso. Sie wussten nicht einmal, wofür sie starben. Für einen Wunschtraum – ein Kind! – opferte er ein ganzes Dorf. Ging er damit nicht zu weit?
    Seine Augen füllten sich mit Tränen. Verzweifelt schüttelte er den Kopf. Als er langsam den Mund öffnete, bebten seine Lippen. Er wünschte, Idana wäre jetzt an seiner Seite. Sie wusste immer, was zu tun war. Aber er hatte sie in dem Kampfgetümmel aus den Augen verloren. In der Hütte war sie jedenfalls nicht. Ob sie überhaupt noch lebte?
    »Böttcher Beorn!«, schrie der dunkle Reiter. »Sprecht! Wo ist das Balg?«
    »Das Kind…«, stammelte Beorn. Seine Stimme versagte. Wie ein gehetztes Tier blickte er sich zu seiner lichterloh brennenden Hütte um.
    »Ist es in dem Haus?«, drängte der Waffenmeister.
    Beorn schluckte und setzte erneut an. »Es…«
    Ein fauchendes Geräusch ließ ihn abermals stocken. Cord riss entsetzt den Kopf herum. Er verfügte über die Instinkte eines Wolfes. Zweifellos hätte er dem brennenden Pfeil ausweichen können – wenn dieser für ihn bestimmt gewesen wäre. Aber das Geschoss raste auf den Böttcher zu.
    »Duckt Euch!«, schrie der Waffenmeister und schleuderte zugleich sein Breitschwert in die Flugbahn. Wie durch ein Wunder trafen sich die schwere Klinge und der Pfeil. Aber das Geschoss wurde nur ein wenig abgelenkt. Vielleicht hätte es nur Beorns Arm getroffen, so aber bohrte es sich mitten in seine Brust.
    Der Böttcher sah Cord verwundert an. Seine Augen waren geweitet. »Das Kind…«, begann er ein drittes Mal, aber seine Stimme war nur noch ein Krächzen. Schwer sackte er auf die Knie, fiel vornüber und blieb reglos liegen.
    Cord von Lizard schüttelte wütend sein zottiges Haupt. »Ihr hättet nicht sterben müssen, Böttcher Beorn«, knurrte er und wandte sich dem brennenden Haus zu. Dort, nur einen Speerwurf weit entfernt, entdeckte er eine Frau. Ihre Augen waren aufgerissen, die Hände vor dem Mund ineinander verkrallt. Entsetzt schüttelte sie den Kopf.
    Der Waffenmeister schnalzte mit der

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