Die unsichtbare Pyramide
schützten.
Zugleich deckte Molog das Dorf mit einem Hagel aus brennenden Pfeilen ein. Er war geradezu vernarrt in diese Waffe. Feuer konnte so viel Verwirrung stiften! Es schüchterte den Gegner ein, machte ihn kopflos. Die zerstörerische Kraft von Flammen war absolut.
»Sie kämpfen tapfer«, mischte sich eine Stimme in Mologs Betrachtungen. Sie stammte von seinem Waffenmeister, der neben ihm auf einem großen Rappen saß. Cord von Lizard verfolgte das Kampfgeschehen auf seine schwarze Lanze gestützt.
Niemand außer vielleicht Molog selbst konnte sich an Kraft und Geschicklichkeit mit diesem Mann messen. Nur Cord besaß einen Speer aus Ebenholz, das zwar hart, aber auch außergewöhnlich schwer war. Das Breitschwert auf seinem Rücken hätten die meisten Kämpfer kaum mit zwei Händen führen können, der dunkle Reiter benötigte dafür nur eine.
»Sie kämpfen immer tapfer, doch…« Molog wog noch einmal ruhig ihre Chancen ab; für einen Mann von Anfang zwanzig besaß er eine erstaunliche Gelassenheit. Er schätzte zwar das Urteil seines älteren Ratgebers, aber selbst der unbezwingbare Cord von Lizard durchschaute nicht die ganze Tragweite der jüngsten Ereignisse, wusste nicht, was für eine Schlacht hier geschlagen wurde. Es ging dabei um weit mehr als nur um einen kleinen Gebietsgewinn. Ganz Trimundus konnte einen Erfolg in dieser Nacht nicht aufwiegen. Er, Molog, hatte sein Schicksal nicht allein mit dieser Welt verbunden. Und deshalb fiel seine Antwort auch anders aus, als Cord es erwartete. »Doch jetzt ist nicht die Zeit, uns zu schonen. Befiehl den Männern das Dorf zu stürmen.«
»Aber, Herr! Wenn wir den Gegner noch eine halbe Stunde lang zermürben, dann…«
»Dann könnte es zu spät sein, Cord. Sobald wir den Durchbruch geschafft haben, reitest du in die Siedlung und widmest dich dem einen Ziel. Du weißt, wovon ich rede.«
Der Waffenmeister nickte. Im Widerschein des brennenden Dorfes wirkte sein ausdrucksloses Gesicht wie eine Maske. »Wenn das, was Ihr zu finden hofft, in Annwn ist, werde ich es aufspüren.«
Mit einer fließenden Bewegung, an der nichts die in ihr liegende Kraft erahnen ließ, zog Cord das mächtige Schwert aus der Scheide auf seinem Rücken. Als er es zum verabredeten Zeichen in die Höhe reckte, ertönten rings um Annwn die Schlachthörner.
Der Sturm auf das Dorf glich einem jener zerstörerischen Naturereignisse, die ohne Ansehen der Person jeden und alles vernichteten. Obwohl die Männer, Frauen, ja sogar die Kinder Annwns hinter dem Schutzzaun erbittert kämpften, konnten sie der Kriegsmaschinerie Mologs doch nicht lange standhalten. Bald brach das Tor unter den gewaltigen Hieben des Widderkopfes. Gleichzeitig drangen immer mehr Krieger über Sturmleitern in das Dorf ein. Innerhalb kurzer Zeit tobte die Schlacht zwischen den brennenden Häusern. Das Schwarze Heer verschonte weder Mensch noch Tier. Die Schreie verletzter und sterbender Kreaturen hallten durch die Nacht.
Mittendrin bewegte sich Cord von Lizard wie ein Sturmvogel auf windgepeitschter See. Ab und zu wich er einem Geschoss aus oder streckte mit seiner Lanze einen angreifenden Dorfbewohner nieder. Nur gelegentlich setzte er sein mächtiges Breitschwert ein – die Kämpfe waren alle erschreckend kurz – und nicht selten erlag sein Gegner einem einzigen Hieb. Plötzlich richtete sich der Waffenmeister Mologs im Sattel auf. Er hatte jemanden entdeckt, der gerade aus einer brennenden Hütte gelaufen kam und sich gehetzt umblickte. Nur durch einen kurzen Zuruf brachte Cord sein riesiges Pferd auf Kurs.
Der Rappe galoppierte geradewegs auf den Böttcher von Annwn zu.
Zweifellos hätte das Tier ihn in den Staub getreten – diese Art von Schlachtrössern wurden ihres natürlichen Instinkts, einem Menschen auszuweichen, auf brutale Weise beraubt –, doch der dunkle Reiter tötete nie vorschnell, nie ohne Bedacht. Er zügelte sein Pferd, das kurz vor Beorn zum Stillstand kam.
Der Böttcher schwenkte seine blutige Axt. »Ich hätte mir gleich denken können, dass ein Mann wie Ihr nur Unheil bedeuten kann«, keuchte er.
»Und ich sagte bereits, dass Ihr ein tapferer Geselle seid. Wie viele von meinen Kriegern habt Ihr mit diesem Spielzeug da schon umgebracht?«
»Gleich noch einen mehr«, antwortete Beorn drohend, dann erst wurde er sich der Wortwahl seines Gegenspielers bewusst. »Sagtet Ihr, Euren Kriegern? Dann seid Ihr also Molog von Zennor Quoit! Schert Euch zurück auf Eure sturmumtoste Burg und
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