Die unsichtbare Pyramide
sah, war ein heller undurchdringlicher Nebel. Um ihn herum herrschte immer noch das Chaos. Menschen schrien. Die Luft war gesättigt von Staub und Qualm. Er spürte die Hitze und hörte das Prasseln eines nahen Feuers. Seine Antwort war nur ein Stammeln. »Ich… ich weiß nicht. Meine Hand brennt und das Gesicht… Ich kann nichts sehen… Das blaue Licht…« Er musste den Mund schließen, weil der beißende Qualm ihm die Kehle zuschnürte.
»Sie müssen schleunigst weg hier. Der Tempel brennt. Wenn Sie hier bleiben, ersticken Sie oder die Fassade fällt Ihnen auf den Kopf. Kommen Sie! Versuchen Sie aufzustehen. Ich helfe Ihnen.«
Topra fühlte sich von großen Händen unter den Achseln gepackt und nach oben gezerrt.
»Ziehen Sie die Jacke an«, befahl sein Helfer.
»Warum?«
»Wenn Sie den Kragen hochschlagen, sieht man Ihren Bund nicht so leicht.«
Topra war viel zu benommen, um die Anweisungen seines Retters weiter zu hinterfragen. Gehorsam ließ er seinen Oberkörper und den Hals verhüllen. Hiernach wurde sein Arm über eine Schulter gelegt und die Stimme seines Schutzengels sagte: »Helfen Sie mir ein bisschen, junger Mann, ich bin kein Gewichtheber.«
»Wer… oder was sind Sie eigentlich?«, fragte Topra, während er seine Beine dazu zwang, die Füße über den Boden zu schieben.
»Ein Hochzeitsgast. Oder wenn Sie so wollen, ein Freund.«
»Das ist nicht sehr genau.«
»In diesen Zeiten kann das schon zu viel sein. Da entlang!« Der anonyme Retter vollzog einen abrupten Richtungswechsel. Unmittelbar darauf ertönte ein ohrenbetäubendes Donnern.
»Was war das?«
»Jetzt ist die Fassade eingestürzt.«
Topra erschauderte und ließ sich willig weiter durch den Nebel fuhren. »Warum haben Sie mich gerettet?«
Ein Zögern ging der Antwort voraus. »Weil Sie dem Volk von Baqat geholfen haben.«
»Ich soll… Habe ich nicht eher das Gegenteil getan?«
»Man kann nicht eine Dynastie beenden, ohne in die Geschichte einzugehen, junger Mann. Die Mehrheit des Volkes hat Isfet gefürchtet und seinen jähzornigen Balg verachtet. Es ist kein großer Verlust, dass Sie Aabuwa von der Säule gefegt haben.«
Jetzt erst begriff Topras benebelter Geist. »Sie wissen, wer ich bin?«
»Die Hoheiten haben Sie Takuba genannt. Ist das Ihr richtiger Name?«
Topra schwieg.
»Habe ich mir schon gedacht«, sagte der Retter aufgeräumt. »Würde mich nicht wundern, wenn Sie eine Revolution ins Rollen gebracht haben.«
Topra biss die Zähne zusammen. Wohl eher eine verhindert, haderte er im Stillen mit sich. Das Scheitern von Hobnajs Plan setzte ihm allerdings weit weniger zu als die Ungewissheit über Inukiths Schicksal. »Haben Sie die Braut gesehen? Ist sie…?«
»Erschlagen worden? Ich konnte die Ereignisse nur von weitem verfolgen, weil ich die Große Säulenhalle so schnell wie möglich verlassen wollte, aber wenn Sie mich fragen, hat niemand überlebt, der nicht rechtzeitig herausgekommen ist. Stimmt es, was Aabuwa behauptet hat? Lieben Sie das Mädchen?«
»Sie war gut zu mir«, antwortete Topra ausweichend.
»Die Antwort genügt mir. Heutzutage muss man sehr vorsichtig sein, wem man was anvertraut – überall Spione. Ich bringe mich hoffentlich nicht um Kopf und Kragen, wenn ich Ihnen verrate, dass ich Künstler bin. Da lernt man, mit dem Herzen zu hören, junger Mann. Takuba liebt Inukith und Inukith liebt Takuba, da gehe ich jede Wette ein. – Still jetzt! Sagen Sie nichts.«
Der Verletzte und sein unbekannter Helfer erreichten einen Kontrollposten. Allein die Geräusche verrieten Topra jedoch, dass die Polizisten dem Ansturm der panischen Masse nichts entgegenzusetzen hatten. Die flüchtenden Menschen wälzten sich ungehindert an ihnen vorbei.
»Da stehen Krankenwagen«, berichtete der Künstler, was er sah.
»Nein!«, stieß Topra erschrocken hervor.
»Schon gut. Ich liefere Sie nicht aus. Aber jemand muss sich dringend um Ihre Verbrennungen kümmern. Ihr Gesicht glüht wie eine rote Paprika.«
»Können Sie mich in eine Arztpraxis bringen?«
»Das halte ich für keine so gute Idee. Die Herren Doktoren müssen jeden Fall an die Gesundheitsbehörde melden und deren Unterlagen liest der Amjib. Sollte es Ihnen nicht gelungen sein, die gesamte Regierungsmannschaft platt zu machen, wird man die Ordnung mit umso brutaleren Methoden wiederherzustellen versuchen: Schnüffler überall, nächtliche Ausgangssperre, Militärpatrouillen, Straßensperren, die ganze Partitur der Tyrannei.«
»Ich hatte
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