Die unsterbliche Braut
machte das mit Absicht. Zerriss ihm das Herz, damit … Warum? Damit er ihr nicht mehr nachweinte? Um Platz für mich zu machen? Sein Herz war schon gebrochen genug. Wie sollte ich all die Scherben finden und wieder zusammensetzen, wenn sie es vollkommen zerschmetterte?
„Hör auf“, flehte ich, obwohl ich wusste, dass es zwecklos war. Wusste sie denn nicht, was sie ihm antat? Doch. Natürlich wusste sie das. Ich kannte Henry gerade mal ein Jahr, und selbst für mich war es schmerzhaft offensichtlich. Sie kannte Henry seit Äonen.
„Bist du wahrhaftig glücklich mit Adonis?“ Fragend sah Henry sie an.
Persephone lächelte. „Wenn ich morgens aufwache und als Allererstes sein Gesicht sehe, dann weiß ich, es wird ein großartiger Tag. Das wird sich nicht ändern, egal wie viel Zeit vergeht.“
Henry schob ihr die Finger ins Haar, und Persephone machte keine Anstalten, ihn davon abzuhalten. „Hast du es jemals bereut, dass du gegangen bist?“
Sie antwortete nicht sofort. Stattdessen suchte sie nach seiner freien Hand und verschränkte ihre Finger mit seinen. „Manchmal. Ich vermisse die Sonne – die echte Sonne, nicht die im Jenseits. Ich vermisse meine Mutter. Ich vermisse unsere Familie. Ich vermisse die Jahreszeiten. Ich vermisse Veränderung.“ Sie drückte die Lippen auf seine Fingerknöchel. „Manchmal vermisse ich sogar dich. Adonis hat es gut. Er ist wie jede andere Seele – er begreift nicht, was geschieht oder dass die Welt um ihn herum ein Trugbild ist. Aber ich weiß es, und dieses Wissen reicht manchmal schon, dass es mir etwas ausmacht.
Mit dem Handrücken streichelte Henry ihr die Wange und ließ den Blick vom Fenster zu ihr wandern. Er sah sie auf dieselbe Weise an, wie er mich in der Nacht angesehen hatte, als wir miteinander geschlafen hatten. Mir schmerzte die Brust. Warum konnte ich nicht aufwachen? „Du könntest zurückkommen.“
Traurig lächelte Persephone ihn an. „Und was ist mit Kate? Das würdest du ihr nicht antun. Ich kenne dich gut genug, um das zu wissen. Ihr kannst du vielleicht etwas vormachen, aber ich weiß, was du für sie empfindest.“
Henry schwieg, und mein Herz schlug so schnell, dass ich Angst hatte, es könnte explodieren. Würde er es tun? Bat er sie, als seine Königin zurückzukehren oder als seine Frau? Konnte sie das überhaupt?
Benommen lehnte ich die Stirn ans Fenster und wünschte mir mit jeder Faser meines Seins, das Glas würde verschwinden und ich in die Tiefe fallen. Dann müsste ich das hier nicht hören. Ich dachte darüber nach, durch die Tür hinauszugehen, aber wenn ich nicht durch das Fenster konnte, würde ich es auch auf diesem Weg nicht schaffen.
„Kate ist vieles für mich“, erwiderte Henry schließlich. „Aber sie ist nicht du.“
Ich sank zu Boden und schlang die Arme um die Knie. Ich hatte mir so sehr eingeredet, dass es funktionieren könnte. Dass mit der Zeit und viel Geduld alles gut werden würde. Doch es sollte nicht sein. Hätte er all diese Dinge gesagt, wenn er gewusst hätte, dass ich zuhörte? Natürlich nicht. Er war nicht grausam, doch ich hatte die Worte trotzdem vernommen.
„Hades …“ Persephone beugte sich vor und legte die Lippen auf seine.
Mir wurde übel, und ich schlug die Hände vors Gesicht. Das konnte nicht wirklich geschehen. Es war ein Albtraum, keine Vision. Ich war eingeschlafen, ohne mich daran zu erinnern, das war alles. Bald würde ich aufwachen, und wenn ich das tat, würde Henry mir beim Schlafen zusehen und sich entschuldigen, dass er davongelaufen war. Wir würden reden, er würde mich küssen, und alles wäre wieder gut.
Ich wusste nicht, wie lange es dauerte. Ich wollte es nicht wissen, und als Persephone schließlich wieder sprach, war ich kurz vorm Durchdrehen. Warum konnte ich nicht zurück? Welcher Teil von mir wollte das hier so dringend sehen, dassich bereit war, mich solchen Qualen auszusetzen?
„Es ist nur so, dass ich genauso wenig ich bin“, sagte sie leise. „Ich bin nicht die Frau, die du liebst. Diese Person hat nie existiert, und mich in deinen Gedanken in sie zu verwandeln zerreißt dich innerlich. Wir hatten einen einzigen guten Tag miteinander, und der Rest war furchtbar. Ich war todunglücklich, und als ich schließlich erkannt hatte, dass ich nicht mehr mit dir verheiratet sein wollte, hattest du dir schon eingeredet, du würdest mich lieben. Aber das hast du nie. Du hast dich in jemanden verliebt, der nie existiert hat. Du liebst ein Traumbild, eine
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