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Die Unsterblichen: Roman (German Edition)

Die Unsterblichen: Roman (German Edition)

Titel: Die Unsterblichen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Drew Magary
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Wie Sie sehen können, bin ich ziemlich alt.
    Flywheel: Sie haben sich nie deaktivieren lassen.
    Baines: Niemals. BIO von Kopf bis Fuß.
    Flywheel: Hat es Sie nie gereizt?
    Baines: Nein. Die Menschen, die es haben machen lassen, sind ängstlich und schwach. Der Durchschnittsmensch – und ich rede hier von dem wahrhaft durchschnittlichen Durchschnittsmenschen – wird von einer Reihe profunder, animalischer Triebe gelenkt, die ihn für immer und ewig zu ihrem Sklaven machen. Und das Heilmittel hat diese Triebe vervielfältigt. Deshalb kommt es zu den Abspaltungen. Deshalb werden immer mehr Mauern um Städte und Häuser errichtet. Deshalb vergewaltigen und plündern die D36-Banden, wo es ihnen gefällt, und deshalb schießen diese verrückten Texaner mit Pfeil und Bogen auf Eindringlinge. Das ist die Epidemie des Lebens.
    Flywheel: Was ist mit Ihnen? Was ist mit den Menschen, die Sie getötet haben?
    Baines: Alles, was ich getan habe, diente nur einem Ziel: Leben zu retten. Das ist, was die Menschen nicht verstehen. Ohne den Tod werden wir das Leben nie verstehen. Ich versuche zu helfen.
    Flywheel: Erklären Sie mir, wie es helfen soll, über fünfhundert Menschen zu töten.
    Baines: Weil die Menschen, bei deren Ermordung ich geholfen habe, dazu beigetragen haben, das menschliche Virus auf dieser Welt zu verbreiten. Es waren rücksichtslose Menschen, die das Leben anderer in Gefahr gebracht haben, damit die sogenannte »Generation, die wohl Glück gehabt hat« weitere tausend Jahre leben, essen, trinken und Sex haben kann.
    Flywheel: Warten Sie eine Sekunde. Warten Sie einen Augenblick. Lassen Sie uns näher auf die Menschen eingehen, die Sie getötet haben. 2035 haben Sie einen Bombenanschlag auf eine Fabrik verüben lassen, die Vectril herstellte. Bei dem Anschlag kamen fünfundsiebzig Personen ums Leben.
    Baines: Ja, das ist richtig.
    Flywheel: Vierzehn dieser fünfundsiebzig Menschen waren kleine Kinder, die in dem Kindergarten des Betriebs betreut wurden. Und die anderen Opfer waren Produktions- und Büromitarbeiter, die dort einfach ihren Lebensunterhalt verdienen wollten.
    Baines: Lassen Sie mich Ihnen eine Frage stellen. Als wir in Afghanistan waren, haben wir dort Zivilisten getötet? Haben wir Kinder getötet?
    Flywheel: Ja, aber wir befanden uns im Krieg.
    Baines: Das tun wir jetzt auch! Das hier ist Krieg! Das ist der einzig wahre Krieg! Im Krieg ist es ein sinnvoller Schachzug, strategische Ziele wie etwa feindliche Waffenlager auszuschalten. Und wenn ein Kind bei dem Bombardement ums Leben kommt, was sagt die Army dann? Nun, das ist wirklich äußerst bedauerlich. Es tut uns ja soooooo leid. Wir mussten es tun, um uns selbst zu schützen. Das Gleiche gilt hier auch. Jeder Arzt, der Vectril verschreibt, und jeder Laden, der es verkauft, sind feindliche Waffenlager.
    Flywheel: So rechtfertigen Sie also, dass 2045 einer Ihrer Kollegen mit einem mit C4 bestückten Gürtel in einen Laden in Chicago spazierte, sich in die Luft sprengte und zwei Dutzend Menschen tötete?
    Baines: Ja. Es war gerechtfertigt, da es half, den Schaden, den dieses Heilmittel verursacht, einzudämmen. Ich weiß, dass viele der terroristischen Anschläge von evangelikalen Gruppen oder noch extremeren religiösen Verbänden initiiert werden. Doch das ist nicht der Grund, warum ich mich der Sache verschrieben habe. Ich habe pragmatische Gründe, der Unsterblichkeit in diesem Land und auch auf der ganzen Welt ein Ende setzen zu wollen. Wir haben doch bereits die verheerenden Auswirkungen gesehen, nicht wahr?
    Flywheel: Aber was kann die Ermordung von Hunderten von Menschen an der Situation ändern? Ist es nicht bloß ein Tropfen auf den heißen Stein? Sie konnten nicht verhindern, dass sich immer mehr Menschen deaktivieren lassen, und Sie werden es auch nicht mehr schaffen. Warum stellen Sie sich also nicht der Realität und finden eine Lösung, die nichts damit zu tun hat, eine medizinische Universität unter Beschuss zu nehmen oder eine Rohrbombe in einem Testinstitut zu platzieren?
    Baines: Entschuldigen Sie, Sie meinen tatsächlich, dass ich mich der Realität stellen sollte? Ich? Ich bin praktisch der einzige Mensch in diesem Land, der der Realität ins Auge blickt. Ich hätte ihnen vor vierzig Jahren bereits sagen können, dass der Kongo sich durch das Heilmittel in einen permanenten Sklavenstaat verwandeln wird. Ich hätte Ihnen sagen können, dass dadurch die Fischbestände vollkommen ausgelöscht werden. Ich hätte Ihnen sagen

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