Die Unsterblichen: Roman (German Edition)
vermutlich zu tot sein, um Anspruch darauf zu erheben.«
»Okay.«
Chuck kletterte die Leiter empor. Ernie dreht sich zu mir um und zuckte mit den Schultern. Er hatte keine Ahnung, ob der Sprengsatz die erwünschte Wirkung erzielen würde. Als Chuck oben an der Kanone angekommen war, nahm er einen letzten Zug von seinem Hydro, was von noch mehr Applaus und Johlen begleitet wurde. Er sprang in das Kanonenrohr und rutschte nach unten. Ich ließ alle Anwesenden eine Verzichtserklärung unterschreiben. Ernie fragte Chuck, ob er bereit sei.
»Lass mich fliegen, Muchacho!«
Alle gingen hinter einer Reihe Autos in etwa fünfundvierzig Metern Entfernung in Deckung. Ernie stellte seinen WEPS auf die Motorhaube eines alten Trucks und begann, die Kanone zu filmen. Er nahm die Fernbedienung und sprang mit einem Satz hinter uns. Er öffnete die Klappe. Plötzlich verflüchtige sich die lebhafte Stimmung und eine unbehagliche, angespannte Atmosphäre machte sich breit. Doch Ernie ließ es nur für den Bruchteil einer Sekunde zu. Er drückte den Knopf, und vom Boden der Kanone erklang eine Art lautes Niesen. Ein paar verirrte Fetzen von dem, was von Chuck übrig geblieben war, flogen aus dem Rohr und landeten auf den Windschutzscheiben der im Umkreis stehenden Autos. Der vordere Teil der Kanone begann zu rauchen wie die Spitze einer riesigen Marlboro. Wir schnappten uns die Feuerlöscher eines nahegelegenen Campingbusses und liefen zur Kanone. Ich wickelte mir einen Stofffetzen um die Hand und klopfte dagegen.
»Chuck?«
Keine Antwort. Drei Prolls stießen gegen die Kanone, bis sie umfiel. Wir warfen einen Blick in die Öffnung. Von Chuck war nur ein kleiner Teil übrig geblieben. Der Rest war Asche, die niemals auch nur in die Nähe des Himmels gelangt war.
GEÄNDERT AM:
03.03.2059, 03:08 Uhr
Was die Leute von uns Euthanasie-Spezialisten halten
Im Laufe der Jahre gab es Zeiten, als ich einfach nicht mehr leben wollte. Als Keith und ich 2047 ein Jahr in Guatemala verbrachten, blieb ich jede Nacht wach, starrte die Pistole des Texaners an und spielte mit dem Gedanken, sie zu benutzen, bevor ich schließlich betrunken in Ohnmacht fiel. Ich hatte nie den Mut, meinen Worten Taten folgen zu lassen. Als ich noch ein Kind war, war mir ständig erklärt worden, dass Selbstmord etwas für Feiglinge sei. Dieser Meinung bin ich nicht mehr. Ganz im Gegenteil. Chuck war vielleicht ein Junkie und ein Hippie gewesen, der in einem Van lebte, aber er hatte zumindest den Mut gehabt, sich einen persönlichen Abgang auszudenken und es ohne zu zögern durchzuziehen. Ich besitze diesen angeborenen Mut nicht, egal ob er nun durch Drogen verstärkt wird oder nicht. Ich bin nicht mutig genug, um jetzt zu sterben, und ich bin es auch noch nie gewesen. Also bleibe ich einfach hier.
Die erste Woche in meinem neuen Job entsprach ganz Matts Beschreibung. Meistens waren die Klienten ältere Menschen, viele von ihnen waren behindert oder litten unter Schmerzen. Es gab jedoch auch ein paar Ausnahmen. Da war diese Frau, eine Alkoholikerin mit einem Deaktivierungsalter von nur dreißig Jahren oder so. Sehr attraktiv. Doch sie war seit drei Jahrzehnten immer wieder bei den Anonymen Alkoholikern gewesen. Sie hasste es. Sie sagte, es sei wie in einem Altenheim gewesen. Sie wollte nicht ohne Alkohol leben, doch sie wusste, dass sie nicht am Leben bleiben würde, wenn sie weiter an der Flasche hing. Also entschied sie sich für die dritte Möglichkeit. Ernie verpasste ihr die Spritze, während sie sich ein Glas genehmigte. Dann war da der Gamer, den die Tatsache verzweifeln ließ, dass sich in seinem Lieblingscomputerspiel für seinen Geschmack bereits zu viele Spieler tummelten. Keiner dieser Klienten kam ins Schwanken, was seine Entscheidung betraf. Sie schienen alle im Frieden mit sich selbst zu sein – ein Frieden, den ich so lange nicht mehr gespürt habe, dass ich nicht sicher bin, ob ich ihn erkennen würde, sollte ich ihn jemals wieder spüren.
Ich nehme an, dass ich auf diese Art meine neue Arbeit vor mir selbst rechtfertigte. Ich weiß, dass andere Menschen mir nicht unbedingt zustimmen. Ich habe mich im Internet umgehört und viele verschiedene Meinungen zu dem Thema gefunden.
Bob Maclin:
Wir sind mittlerweile um nichts besser als Russland. Die Euthanasieindustrie ist die unethischste amerikanische Geschäftsidee seit der Sklaverei. Ich bin absolut dafür, das Bevölkerungswachstum zu kontrollieren, aber ich kann nicht akzeptieren, dass die
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