Die Unsterblichen: Roman (German Edition)
rechten Seite, der ebenfalls unter Belagerung stand. Die Bande bewegte sich wie ein Bulldozer vorwärts und bahnte sich ihren Weg durch die Lebenden und die Toten.
Wir berührten die Mauer des Reservats, und ich sah hoch zu dem Wachmann, der seine Waffe direkt auf meine Schulter gerichtet hatte. Ich schrie zu ihm hoch: »Kennen Sie David Farrell?«
»David Farrell?«, fragte er.
»Ja«, sagte ich. »David Farrell.«
»Ja.«
»Ich bin David Farrells Vater. Können Sie uns helfen?« Ich hielt meine Euthanasie-Spezialisten-Lizenz in die Höhe, die noch immer um meinen Hals baumelte.
»Sie sind ein Euthanasie-Spezialist, verdammte Scheiße.«
»Ich habe gekündigt! Ich schwöre es!«
Er verdrehte die Augen und verschwand einen Augenblick hinter der Absperrung. Einen Block weiter flog ein Auto in die Luft, und alle zuckten zusammen.
»Glaubst du, sie lassen uns hinein?«, fragte Solara.
»Ich denke, sie werden uns bald mit kochendem Öl übergießen.«
Der Wachmann kam wieder und legte seine Waffe auf die Mauer. Er ließ unauffällig ein zusammengeknülltes Blatt Papier vor meine Füße fallen. Ich stürzte nach vorn, um es aufzuheben, dann zog ich mich mit Solara in die Menschenmasse zurück. Andere versuchten, die Mauer hochzuklettern, und wurden abgewiesen. Als ich sicher war, dass mich niemand beobachtete, faltete ich den Zettel auseinander und las die Anweisungen. Wir sollten uns auf den Weg zu einem weißen Chevy machen, der etwa dreihundert Schritte weiter westlich und dann noch mal dreihundert Schritte weiter südlich stand. Ich sah Solara mit einer neu erwachten Hoffnung an. Ein vorläufiger Rückzugsort erwartete uns.
»Sie lassen uns hinein«, erklärte ich ihr.
»Dann lass uns gehen.«
Wir drehten uns um, und plötzlich stand uns gegenüber ein kleiner, glatzköpfiger, grüner Mann. Er war vollkommen schwarz gekleidet – Schuhe, Socken, Hose, Gürtel und eine schmutzige, langärmelige Tunika, die er verkehrt herum anhatte und die aussah wie ein Jackett. Er grinste mich an wie ein Wahnsinniger, als hätte er die ganze Zeit auf mich gewartet. Ein neues Gesicht, das dennoch alt war. Ich spürte, wie sich meine Rippen schmerzhaft zusammenzogen, und als ich einen Blick hinunter warf, sah ich, dass sich sein dickes Messer bereits bis zum Griff in meine Seite gebohrt hatte. Er zog das Messer heraus, und ich sah, wie das Blut aus mir herausschoss, als hätte man einen Korken herausgezogen. Er bleckte seine ruinierten Zähne und lachte schrill.
»Du siehst gerade sehr komisch aus«, sagte er.
Dann machte er sich wieder auf den Weg und stach ohne einen Unterschied zu machen auf jeden ein, der vor uns stand. Solara hob die Pumpgun und schoss. Ich sah eine kleine Explosion auf seiner Schulter, als wäre dort eine Sprengkapsel implantiert gewesen. Er stürzte nach vorn, riss und zerrte an sich, und bald schon verschluckten ihn die Körper, und er glitt einem unbekannten Schicksal entgegen, das besser meinen schlimmsten Vorstellungen überlassen bleibt. Ich hörte Menschen schreien und weinen, doch schon bald fühlte ich mich, als würde etwas in mir feststecken, und ich wurde plötzlich träge und sank auf die Knie.
Solara packte mich und zog mich hoch. »Nein, das wirst du jetzt nicht tun.«
Sie schleppte mich dreihundert Schritte westwärts durch den Wald und lehnte ihren und meinen Körper nur ab und zu gegen die Rücken derer, die sich vor uns nach vorn drängten. Wir kamen zu einem Stein, und der Schmerz in meinem Körper explodierte. Ich wand mich wie das Opfer eines Exorzisten, während das Blut aus mir floss und meine Eingeweide miteinander kämpften. Solara legte meinen Arm um ihre Schulter, und wir hinkten langsam zu dem Auto, das sich in südlicher Richtung befand. Menschen auf dem Weg in Richtung Westen brachten uns von der Route ab, und ich spürte, wie Solara immer mehr an Kraft verlor, während sie versuchte, sich durch sie hindurchzuzwängen. Staub drang in meine Augen, und ich konnte durch die Tränen, die herausströmten, kaum noch etwas erkennen. Ich spürte, dass mein rechter Fuß durchnässt war. Als ich einen Blick hinunter warf, sah ich, dass der Schuh sich rot gefärbt hatte. Ich spürte, wie Solaras Griff schwächer wurde, als wäre ich ein Boot, das nur schlampig an der Vertäuung befestigt worden war. Menschen wanden sich um uns herum wie Schlangen, und bald schon wurde ich von ihr getrennt und sah mit trüben Augen, wie die menschliche Strömung sie scheinbar Kontinente von
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