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Die Unsterblichen: Roman (German Edition)

Die Unsterblichen: Roman (German Edition)

Titel: Die Unsterblichen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ketil Bjørnstad
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Arztberuf auf die Nerven ging, daß er ihm nicht mehr das bedeutete, was er früher bedeutet hatte, daß ein Schatten in sein Leben gekommen war, von dem er nicht genau wußte, woher er kam.
     
    Er hatte sich eigentlich darauf gefreut, älter zu werden, vorausgesetzt, er bliebe gesund. Er hatte gedacht, die Zeit, die nun vor ihm lag, sei eine Zeit für Ruhe, Frieden und Vertiefung, eine Zeit, um zu ernten, die Früchte seiner Arbeit zu genießen, in Konzerte und Ausstellungen zu gehen, Orte zu besuchen, die er schon immer hatte sehen wollen, wie Chicago, die Reise, die er bereits gebucht hatte und die sie gemeinsam gleich nach der Geburtstagsfeier antreten würden, sein Geschenk für Elisabeth, die sich nichts mehr wünschte als Seurats Bild Un dimanche après-midi à l’Ile de la Grande Jatte zu sehen, das im Art Institute of Chicago in der Michigan Avenue hing, Elisabeth, die einmal in ihrem Leben das Chicago-Sinfonieorchester live hören wollte und die nicht zuletzt durch Saul Bellows Straßen gehen wollte, ein Autor, den sie über alles schätzte.
    Ja, so mußte auch Elisabeth gedacht haben, als sie vor einigen Monaten ihren Arbeitsplatz gekündigt hatte, weil der sich nicht mehr vereinbaren ließ mit den Anforderungen, die ihre Eltern inzwischen an sie stellten, und weil zudem weder Annika noch Line ihr Leben auf die Reihebrachten und im Augenblick voll von Thomas Brenner unterstützt wurden, was er nicht länger zu tun bereit war, nachdem Elisabeth nur noch sporadische Einkünfte in der Telefonzentrale bei Burlington Ltd. hatte, ein Dienst, zu dem sie sich verpflichtet fühlte. Weiter weg vom Auslandseinsatz für Telenor konnte sie kaum kommen.
    Also noch ein Zeichen für Streß, unvorhergesehenen Streß, von dem er nicht geglaubt hatte, daß er zu diesem Alter gehörte. Obendrein sein Kammerflimmern, das alles trug nicht dazu bei, daß er seiner fachlichen Motivation entsprechend für die Sorgen der jungen Mutter offen war. Dabei hatte er die Medizin immer als Berufung gesehen.
    Langsam, aber durchaus spürbar, hatte sich seine Welt, seine überschaubare, sinnvolle Welt, verändert, war zunehmend von Streß, Sinnlosigkeit und der Orientierung am Geld bestimmt. Daß diese junge Mutter es so eilig hatte, wieder zu arbeiten, provozierte ihn plötzlich, obwohl er wußte, daß das ungerecht war. Es war überhaupt völlig übertrieben, daß er sich so aufregte. Aber ihm fiel auf, daß die junge Frau teure Kleidung trug, ebenso teure Kleidung, wie seine jüngere Tochter anzuziehen pflegte. Und als sie sich plötzlich an ihrem iPhone zu schaffen machte, weil es an ihrer Haut vibriert hatte, hätte er am liebsten gerufen: »Und jetzt sofort raus hier, selbstsüchtige Pute!«
    Aber das tat er nicht, wohlerzogen wie er war. Stattdessen reichte er ihr ein Rezept für ein Schlafmittel und sagte, daß er hoffe, daß die süße Kleine jetzt gut schlafen könne, mit schönen Grüßen von der Pharmazie in der Schweiz. Nein, letzteres sagte er nicht. Er kam sich lächerlich vor, jeder Würde beraubt. Die junge Mutter mußte sehen, daß er gestreßt war, daß ihm der Schweiß auf der Stirn stand, daß seine Haut ungesund gerötet war.
    Er lächelte sein freundlichstes Lächeln, wünschte alles Gute, schob Mutter nebst Kind hinaus und winkte Mildred Låtefoss herein.
    Mildred war Mildred, das sah er sofort. Sie alterte nicht im selben Tempo wie die andern der alten Klassenkameraden vom Gymnasium. Sie gehörten zur besseren Gesellschaft, ausnahmslos. Aber ihre soziale Stellung verhinderte nicht, daß sie unterschiedlich verfielen. Erst vor zwei Wochen war Thomas Brenner auf dem Heimweg von der Praxis angehalten worden. Solrunn Plesner war den Weg aus dem Wald heruntergekommen und hatte ihn, obwohl sie schon zwanzig Meter an ihm vorbei war, angerufen.
    »Aber das ist doch Thomas!«
    Er erkannte die Stimme wieder. Es war damals die hellste und fröhlichste in der ganzen Klasse gewesen. Sie klang jetzt trüber, und als er sich umwandte, sah er zu seinem Entsetzen eine kleine Kugel von einer Frau, die mit Stöcken ging – o diese schrecklichen Stöcke, die zwar der Gesundheit förderlich waren, aber wenn er sah, wie alternde Menschen damit durch die Natur stapften, fand er es unerträglich. Gesundheitsfanatiker, die sich am Leben erhalten wollten, denen man aber wünschte, sie wären tot, wie Line einmal sagte. Sie erinnerten an die Roboter aus Krieg der Sterne .
    Solrunn Plesner war kaum wiederzuerkennen, hatte zuviel Wasser im

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