Die Unsterblichkeit der Henrietta Lacks
seine Befunde
ihre schlimmsten Befürchtungen. Er erzählte ihnen, einer von Henriettas behandelnden Ärzten habe keine Zulassung gehabt und ein anderer sei aus der American Medical Association ausgeschlossen worden. Obendrein, so Cofield weiter, hätten Henriettas Ärzte die Krebserkrankung falsch diagnostiziert und sie hätte an einer Strahlenüberdosis sterben können.
Zu Deborah sagte er, er müsse die Krankenakten ihrer Mutter lesen, um festzustellen, wie die Ärzte sie behandelt hätten, und mögliche Kunstfehler zu dokumentieren. Da nur Henriettas Angehörige das Recht hatten, diese Akten anzufordern, erklärte sich Deborah bereit, ihn zum Hopkins zu begleiten. Dort füllte sie das Anforderungsformular aus. Aber der Fotokopierer war defekt, und deshalb erklärte die Frau hinter der Theke, Deborah und Cofield müssten später wiederkommen, wenn das Gerät repariert war.
Als Cofield allein zurückkam, weigerten sich die Mitarbeiter, ihm die Akten auszuhändigen – er war weder Arzt noch ein Angehöriger der Patientin. Als Cofield daraufhin sagte, er sei Dr. Sir Lord Keenan Kester Cofield, wandten sich die Angestellten an Richard Kidwell, einen der Anwälte der Klinik. Als Kidwell hörte, dass jemand unter dem Titel »Dr. Sir Lord« am Hopkins herumschnüffelte, schöpfte er sofort Verdacht und führte schnell ein paar Hintergrundrecherchen durch.
In Wirklichkeit war Keenan Kester Cofield weder Arzt noch Anwalt. Im Gegenteil: Er hatte mehrere Jahre wegen Betrugs – überwiegend Scheckbetrug – im Gefängnis gesessen. Während seiner Haft hatte er juristische Weiterbildungskurse belegt und »alberne« Prozesse angestrengt, wie ein Richter sie nannte. Cofield verklagte Wächter und Beamte der Gefängnisse, in denen er gesessen hatte, und man warf ihm vor, er habe den Gouverneur von Alabama vom Gefängnis aus angerufen und eine Morddrohung gegen ihn ausgesprochen. Cofield verklagte McDonald’s und Burger King, weil sie seinen
Körper mit in Schweinefett gebratenen Kartoffeln vergiftet hätten, und drohte mehreren Restaurants – unter anderem dem Four Seasons in New York – mit Klagen wegen Lebensmittelvergiftung, obwohl er in Haft saß und überhaupt nicht auswärts essen konnte. Er verklagte die Coca Cola Company und behauptete, eine von ihm gekaufte Limonadenflasche sei voller Glassplitter gewesen, obwohl er in einem Gefängnis saß, das ausschließlich Produkte des Konkurrenzunternehmens Pepsi in Aluminiumdosen verkaufte. Außerdem wurde er wegen Betruges verurteilt, weil er einen Nachruf auf sich selbst veröffentlichen ließ, um anschließend die Zeitung wegen Verleumdung auf Schadenersatz in Höhe von 100 Millionen Dollar zu verklagen. Dem FBI erklärte er, er habe bereits mindestens 150 ähnliche Prozesse geführt.
Richter bezeichneten Cofield in verschiedenen juristischen Dokumenten als »Hochstapler«, als »Schmeißfliege und Ausbeuter des Rechtsstaates« sowie als »höchst streitsüchtigen Nutznießer des Systems«. Als Cofield der Familie Lacks empfahl, das Hopkins zu verklagen, war es ihm bereits in mindestens zwei Gerichtsbezirken verboten, überhaupt eine Klage einzureichen.
Von alledem wusste Deborah nichts. Cofield nannte sich Dr. und Anwalt, und offenbar konnte er vom Hopkins mehr Informationen erhalten (und sie auch verstehen), als es der Familie jemals möglich gewesen wäre. Auch sein Auftreten schadete ihm nicht. Als Courtney Speed mir einige Jahre später von ihm erzählte, sagte sie: »Charisma! Hui! Ich meine, Creme de la Creme! Sehr weltgewandt, und er wusste zu allem etwas zu sagen.«
Als Kidwell die Wahrheit über Cofield herausgefunden hatte, bemühte er sich als Erstes, Deborah zu schützen – ein Verhalten, das kein Angehöriger der Familie Lacks einem Mitarbeiter des Hopkins zugetraut hätte. Er erklärte ihr, Cofield sei
ein Hochstapler, und ließ sie ein Papier unterschreiben, das Cofield den Zugang zu den Akten ihrer Familie verwehrte. Als Cofield zurückkam und erfuhr, die Familie habe ihm den Zugang verweigert, brüllte er nach den Erinnerungen aller, mit denen ich am Hopkins sprach, herum und verlangte so lang Kopien der Akten, bis ein Wachmann ihm drohte, ihn mit Gewalt aus dem Gebäude zu entfernen und die Polizei zu rufen. Anschließend klagte Cofield gegen Deborah, Lawrence, Courtney Speed, die Henrietta Lacks Health History Museum Foundation und eine lange Reihe von Hopkins-Mitarbeitern: den Präsidenten, den Verwalter der Krankenakten, einen Archivar, Richard
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