Die Unsterblichkeit der Henrietta Lacks
Sicherheitsmaßnahme für den Fall, dass Deborahs Haus eventuell einmal abbrannte. Als Deborah das hörte, lief sie nach Hause und versteckte die Bibel ihrer Mutter. Zu ihrem Mann sagte sie: »Das sind die einzigen Sachen, die ich noch von meiner Mutter habe, und jetzt will man sie mir auch noch wegnehmen!«
Als Deborah erfuhr, dass Speed und Wyche im Namen ihrer Mutter eine Stiftung gegründet und ein Bankkonto eröffnet hatten, war sie wütend. »Die Familie braucht kein Museum, und erst recht braucht sie keine Henrietta aus Wachs«, sagte sie. »Wenn irgendjemand Geld für irgendwas sammelt, sollten es Henriettas Kinder sein, und die sollten Geld sammeln, damit sie zum Doktor gehen können.«
Deborah erklärte sich erst dann zur Mitarbeit an dem Museumsprojekt bereit, als es so aussah, als könnten Speed und Wyche neue Informationen über ihre Mutter ans Licht bringen. Auf Aushängen, die sie in Speeds Lebensmittelladen und überall in Turner Station anbrachten, fragten sie: »Wer kennt ihr Lieblingslied? Welches war ihre liebste Bibelstelle? Was war ihre Lieblingsfarbe? Welches Spiel spielte sie am liebsten?« Die beiden ersten Fragen stammten von Speed, die dritte und vierte von Deborah.
Irgendwann luden Speed und Wyche Geys frühere Assistentin Mary Kubicek zu einer Veranstaltung im Keller der New Shiloh Baptist Church in Turner Station ein. Sie sollte darüber berichten, wie sie die HeLa-Zellen gezüchtet hatte. Mary stand in Schals gewickelt, nervös und nahezu blind, auf einer kleinen Bühne. Entfernte Vettern der Familie Lacks und Einheimische, die nicht mit Henrietta verwandt waren, stellten aus dem Publikum lautstark Fragen. Sie wollten wissen, wer mit den Zellen Geld verdient hatte und ob Gey ein Patent dafür erteilt worden war.
»O nein«, sagte Mary und trat von einem Fuß auf den anderen. »Nein, nein, nein … damals war es gar nicht möglich, Zellen zu patentieren.« Weiter erklärte sie, in den Fünfzigerjahren habe sich niemand vorstellen können, dass es so etwas eines Tages geben würde. Gey habe die Zellen zum Wohle der Wissenschaft weitergegeben – unentgeltlich.
Die Leute im Saal rumorten, und die Anspannung wuchs. Eine Frau stand auf und sagte: »Diese Zellen haben mich vom Krebs geheilt. Wenn ich Zellen hätte, die jemandem helfen können wie ihre, würde ich sagen, nehmen Sie sie!« Eine andere Frau erklärte, sie glaube immer noch, dass Gey die Zellen patentiert habe, und dann schrie sie: »Ich hoffe, das lässt sich in Zukunft richtigstellen!« Deborah schwirrte im Saal herum und sagte immer wieder, ihre Mutter habe Krebs geheilt und alle sollten sich beruhigen. Dann bat sie Mary zu erzählen, wie sie bei der Obduktion die roten Fußnägel ihrer Mutter gesehen hatte – die Geschichte, die Deborah in Golds Buch gelesen hatte. Mary berichtete, und im Publikum kehrte Schweigen ein.
Während sich Speed zusammen mit anderen Bewohnern von Turner Station bemühte, Erinnerungen an Henrietta zusammenzutragen, schrieb Wyche einen Brief nach dem anderen. Sie wollte Anerkennung für Henrietta und Sponsoren dazu animieren, das Museum zu finanzieren. Ihre Bemühungen blieben nicht ohne Ergebnis: Der Senat des Staates Maryland schickte auf edlem Papier eine Resolution mit dem Wortlaut: »Hiermit möge allgemein bekannt gemacht werden, dass der Senat von Maryland Henrietta Lacks seine aufrichtigen Glückwünsche ausspricht.« Am 4. Juni 1997 sagte der Abgeordnete Robert Ehrlich Jr. vor dem US-Repräsentantenhaus: »Herr Präsident, heute erhebe ich mich, um Henrietta Lacks die Ehre zu erweisen.« Dann erzählte er dem Kongress ihre Geschichte und fügte hinzu: »Ms. Lacks wurde nicht als Spenderin der Zellen genannt.« Er erklärte, es sei an der Zeit, dass sich dies
ändere. An dieser Stelle, so glaubten anscheinend alle, musste das Hopkins ins Spiel kommen.
Auch daran hatte Wyche gearbeitet: Sie hatte einen detaillierten, eng beschriebenen dreiseitigen Brief an William Brody geschickt, den damaligen Präsidenten der Johns Hopkins University. Darin nannte sie Henrietta eine »unbesungene Lokalheldin«. Dann erklärte sie die Bedeutung der HeLa-Zellen und zitierte einen Historiker, nach dessen Worten die Geschichte »zu den dramatischsten und wichtigsten in der wissenschaftlichen Vergangenheit der Johns Hopkins Medical Institution gehört«. Weiter schrieb sie:
Die Familie [Lacks] hat schwer gelitten… Diese Familie bemüht sich wie so viele heutzutage darum, mit den vielen Fragen sowie mit
Weitere Kostenlose Bücher