Die Unsterblichkeit der Henrietta Lacks
Kidwell und Grover Hutchins, den Leiter der Obduktionsabteilung. Insgesamt erhob er Klage gegen zehn Parteien; einige der betroffenen Hopkins-Mitarbeiter hatten bis zu dem Zeitpunkt, als sie die Vorladung erhielten, noch nie von Cofield oder auch Henrietta Lacks gehört.
Cofield beschuldigte Deborah, Speed und die Museumsstiftung des Vertragsbruches: Sie hätten ein Abkommen geschlossen, das ihn dazu verpflichtete, sich Zugang zu Henriettas Krankenakten zu verschaffen, und ihm diesen dann verweigert. Er behauptete, Deborah könne ihm nicht mit juristischen Mitteln verbieten, Recherchen für die Henrietta Lacks Health History Museum Foundation zu betreiben, weil sie nicht dem Vorstand der Stiftung angehörte und auch in keiner anderen offiziellen Beziehung zu ihr stand. Außerdem beklagte er sich über Rassendiskriminierung – angeblich war er »vom Neger-Sicherheitsdienst des Johns Hopkins und von Archivmitarbeitern belästigt worden«, und »die Handlungen der Beklagten und Mitarbeiter waren rassistisch motiviert und gegen Schwarze gerichtet«. Er verlangte Zugang zu den Krankenakten und Obduktionsberichten von Henrietta und Deborahs Schwester Elsie sowie Schadenersatz von 15 000 Dollar je Beklagtem plus Zinsen.
Das erstaunlichste Detail von Cofields Klage war seine Behauptung, die Familie Lacks habe kein Recht auf irgendwelche Informationen über Henrietta Lacks, weil sie unter dem Namen Loretta Pleasant geboren war. Da es keine amtlichen Unterlagen über den Namenswechsel gab, so Cofields Argumentation, hatte Henrietta Pleasant in Wirklichkeit nie existiert, und entsprechend habe es auch keine Henrietta Lacks gegeben. Wer sie auch war, so sagte er, die Familie sei aus juristischer Sicht nicht mit ihr verwandt. In einer Aussage, die voller grammatikalischer Fehler und deshalb kaum zu verstehen ist, bezeichnete Cofield dies als »offenkundige Betrügereien und Verschwörung«; er behauptete, sein Prozess werde »am Ende zum Zweck der Gerechtigkeit nur für Mrs. Henrietta führen, und jetzt für den Kläger, der zum Opfer eines kleinen, aber gewaltigen Betruges geworden ist«.
Von nun an stapelten sich vor Deborahs Tür fast jeden Tag offizielle Schreiben vom Gericht: Vorladungen, Eingaben, Ergänzungen, Verfahrensanträge. Sie geriet in Panik. Sie fuhr nach Turner Station, platzte in Speeds Laden, schrie und verlangte, Speed solle ihr alles geben, was sie im Zusammenhang mit Henrietta gesammelt hatte: die Unterlagen, die sie in einem überdimensionierten Kissenbezug aufbewahrte, die Henrietta-Lacks-T-Shirts und -Kugelschreiber, das Video von Wyche, die Day in Speeds Friseursalon interviewt hatte. Deborah brüllte Speed an und warf ihr vor, sie habe mit Cofield gemeinsame Sache gemacht. Sie werde jetzt Johnnie Cochran engagieren, den Anwalt von O.J. Simpson, und Speed auf die Herausgabe ihres gesamten Besitzes verklagen, wenn sie nicht die Stiftung auflöste und sämtliche Tätigkeiten im Zusammenhang mit Henrietta einstellte.
Aber Speed war genauso verängstigt wie Deborah. Sie war alleinerziehende Mutter, hatte sechs Söhne und wollte ihnen allen mit dem Geld, das sie mit Haareschneiden und dem Verkauf
von Chips, Süßigkeiten und Zigaretten verdiente, das College finanzieren. Ihr Laden wurde regelmäßig ausgeraubt, und sie erhielt in Sachen Cofield ebenso viele Schreiben vom Gericht wie Deborah. Irgendwann hörte sie auf, die Briefe zu öffnen, und stapelte sie im Hinterzimmer ihres Ladens, bis sich dort ein Berg von 30 Umschlägen türmte. Dann legte sie einen neuen Stapel an, betete zu Gott, dass keine Briefe mehr kamen, und wünschte sich, ihr Mann wäre noch am Leben und könnte sich mit Cofield auseinandersetzen.
Mittlerweile war die BBC-Dokumentation gesendet worden, und jetzt riefen häufig Reporter bei Deborah an. Sie baten um Fotos von Henrietta und den Angehörigen und erkundigten sich nach ihrer Mutter und ihrem Tod. Aber Deborah wusste immer noch nichts anderes als das, was sie in Golds Buch gelesen hatte. Sie gelangte zu dem Schluss, es sei an der Zeit, mehr über die Krankenakten ihrer Mutter in Erfahrung zu bringen. Also forderte sie vom Hopkins eine Kopie an und gleichzeitig eine Kopie der Akten ihrer Schwester.
Sie traf sich auch mit Kidwell. Der sagte, sie solle sich keine Sorgen machen, und versprach, das Hopkins werde gegen Cofield kämpfen. Das geschah tatsächlich. Am Ende wurde die Klage abgewiesen, aber alle Beteiligten waren eingeschüchtert. Als die Gruppe von
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