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Die Unvollendete: Roman (German Edition)

Die Unvollendete: Roman (German Edition)

Titel: Die Unvollendete: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Atkinson
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Teppich, unfähig sich zu rühren. In ihren Augen war so viel Blut, dass sie fast nichts mehr sah. Als ihr Kopf zum zweiten Mal auf dem Tisch aufgeschlagen war, hatte sie gespürt, wie etwas sich auflöste, vielleicht der Instinkt, leben zu wollen. An dem schwerfälligen, scharrenden, ächzenden Tanz auf dem Teppich neben ihr erkannte sie, dass Derek und Teddy miteinander kämpften. Zumindest war Teddy auf den Beinen und lag nicht bewusstlos auf dem Boden, aber sie wollte nicht, dass er kämpfte, sie wollte, dass er davonrannte, sich in Sicherheit brachte. Es machte ihr nichts aus zu sterben, wirklich nicht, solange Teddy in Sicherheit war. Sie wollte etwas sagen, brachte aber nur gutturalen Unsinn heraus. Ihr war sehr kalt, und sie war sehr müde. Sie erinnerte sich, dass sie sich im Krankenhaus so gefühlt hatte, nach Belgravia. Hugh war da gewesen, er hatte ihre Hand genommen und sie in seinem Leben festgehalten.
    Ambrose spielte noch immer im Radio, Sam Browne sang »The Sun Has Got His Hat On«. Ein lustiges Lied, um dabei aus dem Leben zu scheiden. Nicht was man erwartete.
    Die schwarze Fledermaus kam sie holen. Sie wollte nicht mit ihr gehen. Die Schwärze zog sich um sie zusammen. Leichter Tod. Es war so kalt. Es wird schneien heute Nacht, dachte sie, auch wenn nicht Winter ist. Es schneite bereits, kalte Flocken lösten sich auf ihrer Haut auf wie Seifenblasen. Ursula streckte eine Hand nach Teddy aus, damit er sie hielt, aber dieses Mal konnte nichts ihren Sturz in die dunkle Nacht aufhalten.

11. Februar 1926
    A u! Was soll das denn?«, rief Howie und rieb sich die Backe, wo Ursula ihm auf ganz und gar nicht damenhafte Weise einen Hieb versetzt hatte.
    »Du hast einen verdammt starken rechten Haken für ein kleines Mädchen«, sagte Howie nahezu bewundernd. Er versuchte noch einmal, sie zu packen, aber sie wich ihm geschmeidig wie eine Katze aus. Dabei sah sie Teddys Ball, der weit unter eine Zwergmispel gerollt war. Ein gut gezielter Tritt gegen Howies Schienbein, und sie hatte genug Zeit, um den Ball aus den Fängen des widerspenstigen Busches zu befreien.
    »Ich wollte doch nur einen Kuss«, sagte Howie und klang absurderweise beleidigt. »Ich wollte dich doch nicht vergewaltigen oder so.« Das grausame Wort hing in der kalten Luft. Ursula hätte erröten können, hätte erröten sollen angesichts dieses Wortes, doch sie hatte das Gefühl, dass das Wort ihr gehörte. Sie spürte, dass Jungen wie Howie es genau Mädchen wie Ursula antaten. Alle Mädchen, insbesondere Mädchen, die ihren sechzehnten Geburtstag feierten, mussten vorsichtig sein, wenn sie durch den dunklen wilden Wald gingen. Oder in diesem Fall durch die Anlage am Ende des Gartens von Fox Corner.
    »Howie!«, hörten sie Maurice rufen. »Wir fahren ohne dich!«
    »Du musst gehen«, sagte Ursula. Ein kleiner Triumph für ihre neue Weiblichkeit.

    »Ich habe deinen Ball gefunden«, sagte sie zu Teddy.
    »Sehr gut«, sagte Teddy. »Danke. Sollen wir noch was von deiner Geburtstagstorte essen?«

August 1926
    I l se tenait devant un miroir long, appliqué au mur entre les deux fenêtres, et contemplait son image de très beau et très jeune homme, ni grand ni petit, le cheveu bleuté comme un plumage de merle.
    Sie konnte kaum mehr die Augen aufhalten, um zu lesen. Es war wunderbar heiß, und die Zeit zog sich jeden Tag in die Länge, und sie hatte nichts zu tun, außer zu lesen und lange Spaziergänge zu machen – vor allem in der vergeblichen Hoffnung, Benjamin Cole zu begegnen oder einem anderen Cole-Jungen, die alle zu dunklen gutaussehenden Jugendlichen herangewachsen waren. »Sie könnten als Italiener durchgehen«, sagte Sylvie. Aber warum sollten sie als etwas anderes durchgehen wollen, als sie waren?
    »Weißt du«, sagte Sylvie, die sie unter den Apfelbäumen liegend vorfand – Ursula hatte Chéri schläfrig neben sich ins Gras gelegt –, »so lange, faule Tage wie diese wirst du nie wieder erleben. Du glaubst es nicht, aber es ist so.«
    »Außer ich werde unglaublich reich«, sagte Ursula. »Dann könnte ich den ganzen Tag nichts tun.«
    »Vielleicht«, sagte Sylvie, die ihre seit kurzer Zeit stets missmutige Stimmung nur ungern aufgab. »Aber der Sommer würde trotzdem eines Tages zu Ende sein.« Sie setzte sich neben Ursula ins Gras. Ihre Haut hatte von der Arbeit im Garten Sommersprossen bekommen. Sylvie stand immer mit der Sonne auf. Ursula hätte gern den ganzen Tag geschlafen. Sylvie blätterte müßig in dem Roman von

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